Wie man die Digitalisierungsfallen im Vertrieb umgeht
Die Zukunft – und teilweise schon die Gegenwart - vom Vertrieb im B2B-Bereich ist digital. Und trotzdem oder gerade deshalb wird es zunehmend wichtiger, eine nachhaltige Kundenbeziehung aufzubauen. Denn oft ist es der Vertriebler selbst, der den entscheidenden Unterschied zum Kaufentscheid ausmacht.
Die Digitalisierung stellt den klassischen Vertrieb mit engem persönlichen Kontakt zum Kunden vor Herausforderungen. Steuerten früher Verkäufer Informationsfluss, Marketingmaßnahmen und Kundenmeetings, ist es heutzutage anders herum: Der Kunde entscheidet, wann und über welchen Kanal er mit Ansprechpartnern im Vertrieb in Kontakt treten möchte.
Deshalb wählen viele digitalisierte Unternehmen eine sogenannte kundenzentrierte Vertriebsstrategie, was bedeutet: Der Kunde und seine Bedürfnisse stehen im Fokus und alle Kontaktpunkte sind darauf ausgerichtet.
Leicht findbare und nutzerfreundlich aufbereitete Produktinformationen und Chat-Möglichkeiten mit dem Kundenservice gehören genauso dazu, wie eng miteinander vernetzte Vertriebskanäle. Alle Kontaktpunkte mit dem Kunden müssen nahtlos ineinander übergehen. Im CRM werden dann alle Kundenaktivitäten gesammelt, um eine augenscheinlich auf den Kunden zugeschnittene Individuallösung anzubieten.
Aber was bedeutet das genau für Verkäufer und deren individuelle Fähigkeiten? Kann der Kunde sie jetzt nach belieben hin und her scheuchen, weil er nun König, Papst und Henker zugleich ist? Das ist vielleicht etwas dramatisiert. Allerdings birgt die Digitalisierung des Vertriebs tatsächlich einige Gefahren. Wer sie kennt und sich ihnen stellt, ist klar im Vorteil.
Die zwei größten Digitalisierungsfallen
1. Automatisierung killt Individualisierung
CRM Systeme sind heute nicht mehr wegzudenken. Allerdings sollten Unternehmen darauf achten, nicht nur harte Daten in das System zu speisen. Denn: All diese Daten sammeln die Wettbewerber ebenfalls. Die Lösungen, die man Kunden daraufhin anbietet, unterscheiden sich oftmals nicht großartig voneinander.
Verkäufer, die neben harten Daten auch weiche Daten in das CRM aufnehmen, begegnen Kunden gleich auf einer anderen Ebene – auf einer emotionalen Ebene. Hat der Kunde Kinder? Geht er gerne ins Kino, Segeln oder Joggen? All diese Informationen bieten Verkäufern Anknüpfpunkte in der Kundeninteraktion, mit denen man eine emotionale Ebene zum Gegenüber aufbaut. Es ist also wichtig, das CRM durch weiche Daten zu ergänzen und somit zu emotionalisieren.
2. Der direkte Kundenkontakt nimmt ab
Der digitalisierte Vertrieb bedeutet vor allem: Der direkte zwischenmenschliche Kundenkontakt nimmt ab. Und damit die Zeit des Verkäufers, den Unterschied zu Konkurrenzanbietern zu machen und die Bindung zum Gesprächspartner zu intensivieren. Die kurze Zeit sollte daher möglichst optimal genutzt werden.
Wie? Indem Verkäufer Kunden nicht wie Könige behandeln, sondern ihnen sofort auf Augenhöhe begegnen und als Geschäftspartner betrachten. Indem sie Emotionen und Werte der Kunden erkennen, anerkennen und reflektieren. Indem sie die Konkurrenz nicht schlecht reden und Stärken wie Schwächen des eigenen Produktes erklären. Denn: Verkäufer sind heute auch Berater. Die Kundenbeziehung nimmt oft erst nach einem Kaufabschluss richtig an Fahrt auf. After-Sales-Services werden zunehmend wichtiger, um die Customer Experience zu verbessern und die Customer Journey zu verlängern.
Emotionale Intelligenz – oder einfach gute Menschenkenntnis
Kunden vergleichen Produkte und Services, bevor sie sich entscheiden. Gute Verkäufer sind in der Lage, sich in Gesprächspartner hineinzuversetzen und sie mithilfe einer wertschätzenden Gesprächsstruktur für sich zu gewinnen. Das Nutzen von Emotionen in sozialen Interaktionen nennt man fachlich Emotionale Intelligenz. Der Begriff gute Menschenkenntnis tut es aber auch.
Natürlich muss das Produkt und das Angebot tatsächlich zu den Werten des Kundenunternehmens und zu den Werten des Käufers als Person passen. Tut es das, ist der Kaufabschluss nicht mehr weit. Der amerikanische Analyst Daniel Newman schrieb vor einiger Zeit im Forbes Magazine, dass 71 Prozent der Käufer, die einen persönlichen Wert in einer b2b-Bestellung erkennen, das Produkt oder den Service am Ende auch einholen. Klar, sind Emotionen doch nichts anderes als Kommunikationssignale und Entscheidungsfaktoren.
Gute Verkäufer hinterfragen sich regelmäßig
Natürlich sollten auch Verkäufer immer wieder hinterfragen, in wie weit das eigene Bauchgefühl noch unverzerrt ist. Über die Jahre entwickeln wir Stereotpye, von den wir uns leiten lassen. Es ist wichtig, nicht jeden Kunden gleich in eine Schublade zu stecken, gute Menschenkenntnis hin oder her. Verkäufer sollten sich immer ein gewisses Maß an Selbstkritik erhalten und sich immer wieder selbst hinterfragen.
Das ist generell der erste Schritt zur Emotionalen Intelligenz: Sich selbst kennen. Was sind meine Stärken und Schwächen? Was motiviert mich besonders? Was macht mich unsicher, wann werde ich wütend? Je ganauer Verkäufer mit sich selbst im Reinen sind und sich selbst kenne, desto besser und direkter können sie auch auf Gesprächspartner reagieren. Und keine Sorge: Niemand wird als perfekter Verkäufer geboren, all das ist erlernbar.
Was bedeueten die Digitalisierungsfallen für Unternehmen?
Führungskräfte sollten sich im Zuge der Digitalisierung fragen, welche technischen Fähigkeiten ihr Verkäuferteam bereits mitbringt – und wo noch Nachholbedarf ist. Weiterbildungen und Umschulungen sind sicher hilfreich, die Skills der Vertriebsmannschaft zu optimieren. Dadurch zeigen sie auch, dass sie auf die eigenen Mitarbeiter zählen und nicht einfach Personal austauschen. Das wirkt motivierend und setzt noch einmal extra Kräfte frei.
Die Digitalisierung macht auch vor dem Vertrieb nicht halt. Richtig integriert, bringt sie unzählige Vorteile – birgt aber auch Gefahren für Verkäufer. Wer es schafft, Emotionen in der Kundeninteraktion zu nutzen, setzt sich trotz ähnlicher Produkte oder höherer Preise am Markt durch und bindet Kunden mit gleichen oder ähnlichen Werten an sein Unternehmen.
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