Erwerb digitaler Unternehmen: Hohe Preise für niedrige Umsätze
M&A-Geschäft

Erwerb digitaler Unternehmen: Hohe Preise für niedrige Umsätze

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Mehr als 15 Milliarden US-Dollar Kaufpreis für ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von zuletzt rund 350 Millionen US-Dollar: Die im März 2017 verkündete Übernahme des digitalen Automobilzulieferers Mobileye durch den Chiphersteller Intel macht einmal mehr deutlich, dass die Digitalisierung auch im Bereich M&A ein neues Zeitalter einläutet.

Die herkömmlichen Regeln und Bewertungsmaßstäbe im Bereich M&A gelten nur noch bedingt. Das zeigt die Studie „The Changing Rules for Digital M&A“ der internationalen Managementberatung Bain & Company, für die führende europäische M&A-Manager befragt wurden. Danach geben drei Viertel an, dass die Digitalisierung ihre M&A-Strategie maßgeblich beeinflusst oder diese sogar vollständig überarbeitet werden muss. Noch aber befinden sich die meisten Unternehmen nach eigenen Angaben am Anfang der Lernkurve. Nur 11 Prozent verfügen bereits über das erforderliche Know-how beim Erwerb von Tech-Firmen (Abb. 1).

Der wichtigste Erfolgsfaktor in dieser neuen Ära ist nach Überzeugung der Studienteilnehmer eine klare Digitalisierungsstrategie als Teil der Unternehmensstrategie. Als erfolgskritisch sieht rund die Hälfte der Befragten ein Netzwerk aus internen und externen Digitalexperten an sowie die Fähigkeit, die Unternehmenskultur der Übernommenen zu erhalten (Abb. 2). Manche Unternehmen hoffen, mit einer einzigen Transaktion ihr digitales Geschäft voranbringen zu können. „Auch digitale Vorreiter haben bei ihrer ersten Übernahme oft Lehrgeld bezahlt“, erklärt Dr. Martin Holzapfel, Partner bei Bain & Company und Leiter der Praxisgruppe M&A im deutschsprachigen Raum. „Ein konsistentes und wiederholbares Konzept ist unverzichtbar, denn häufige und substanzielle Übernahmen sind erwiesenermaßen entscheidend für den Erfolg im M&A-Geschäft.“

Isolierte Bewertung bei M&A greift zu kurz

Bewertungs- und Finanzierungsfragen stellen Unternehmen vor besondere Herausforderungen. Nach herkömmlichen Maßstäben scheinen die Kaufpreise für Unternehmen wie WhatsApp – 2014 von Facebook für 19 Milliarden US-Dollar erworben – relativ hoch. Ein Aufpreis lässt sich jedoch rechtfertigen, wenn sich Unternehmen mit einer Übernahme digitale Geschäftsmodelle und neue Technologiefelder erschließen oder ihre Kundenbasis erheblich erweitern. In der Due Diligence müssen sie dies angemessen berücksichtigen. Facebook legte bei WhatsApp beispielsweise das Hauptaugenmerk auf die rasant wachsenden Nutzerzahlen. Dr. Wilhelm Schmundt, Partner bei Bain & Company und Leiter der Praxisgruppe Corporate Finance im deutschsprachigen Raum, weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Wer den Preis für einen digitalen Player isoliert betrachtet, übersieht die positiven Auswirkungen auf die eigene Bewertung. Der Kapitalmarkt honoriert den Auf- und Ausbau digitaler Geschäftsmodelle.“

Dazu müssen Unternehmen bei der Finanzierung verschiedene Interessen ausbalancieren. So kann der Einsatz eigener Aktien bei der Bezahlung den Anteilsbesitz der bisherigen Eigentümer erheblich verwässern und den positiven Effekt am Kapitalmarkt konterkarieren. Dem lässt sich mit einer Stückelung des Kaufpreises beispielsweise durch Earn-out-Modelle oder durch die Kombination verschiedener Finanzierungsformen entgegenwirken.

Fingerspitzengefühl bei der Integration gefragt

Grundsätzlich machen jedoch nicht ausschließlich Labels wie „digital“ oder „Industrie 4.0“ Unternehmen für strategische Käufer wertvoll. Gerade für langfristige Eigentümer muss sich ein vielversprechendes Geschäftsmodell in nachhaltig positiven Cashflows niederschlagen – sei es für sich alleinstehend oder in Kombination mit anderen Unternehmensteilen. „Hier sind die Regeln der Schwerkraft keineswegs außer Kraft gesetzt, auch wenn der eine oder andere Verkäufer das gegenwärtig so suggerieren möchte“, betont M&A-Experte Holzapfel.

Nach einer Übernahme ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Wer die Integration zu forsch angeht, läuft Gefahr, die wichtigsten Mitarbeiter zu vertreiben und damit entscheidendes Know-how zu verlieren. Nach Erfahrung von Bain reicht oft eine punktuelle Integration. Denn in den meisten Fällen erschließen sich Unternehmen mit digitalen Übernahmen neue Kundengruppen, neue Märkte oder neue Kanäle. Der Bain-Studie zufolge zählen rund 90 Prozent aller digitalen M&A-Transaktionen zu solchen Scope-Deals. „Die meisten digitalen Töchter können und sollten in ihren Märkten weitgehend autonom agieren“, so Holzapfel.

Mit Learning by Doing in die Erfolgsspur

Auch in Zukunft sind M&A-Aktivitäten unter Beteiligung digitaler Spezialisten zu erwarten – und zwar in allen Branchen. „Übernahmen sind ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg von digitalen Transformationen“, stellt Bain-Partner Schmundt fest. Erforderlich ist jedoch ein weitreichendes Verständnis der neuen M&A-Regeln, damit die Käufer wie erhofft den eigenen Wandel beschleunigen und einen Wettbewerbsvorteil erlangen können. „Learning by Doing ist dabei wie so oft im digitalen Zeitalter ein Erfolg versprechender Weg“, so Schmundt. Und er ergänzt: „Wer regelmäßig im M&A-Geschäft aktiv ist, kann auch bei hohen Preisen einen spürbaren Mehrwert mit dem Erwerb kleiner Tech-Unternehmen schaffen.“

Foto/Startseite: ©DragonImages/Depositphotos.com

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