„Strategien müssen immer wieder angepasst werden“
Interview mit Florian Grolmann

„Strategien müssen immer wieder angepasst werden“

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Onpulson im Gespräch mit Florian Grolmann, geschäftsführender Berater der initio Organisationsberatung. Er vertritt die Meinung, dass sich Manager im Strategieeentwicklungsprozess bewusst sein müssen, dass die Unternehmensumwelt sich meist doch etwas anders entwickeln wird, als man es vorher vermutet hat.

Florian Grolmann, geschäftsführender Berater der initio Organisationsberatung.

Florian Grolmann, geschäftsführender Berater der initio Organisationsberatung, vertritt die Meinung, dass bei den KMUs oft das Fachwissen bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie fehlt. Foto: آorganisationsberatung.net

Onpulson: Herr Grolmann, Sie sind geschäftsführender Berater der initio Organisationsberatung mit den Arbeitsschwerpunkten Strategieentwicklung und Change Management. Erklären Sie unseren Lesern bitte, weshalb eine klare strategische Ausrichtung für den Unternehmenserfolg so wichtig ist?

Florian Grolmann: Organisationen agieren nicht im luftleeren Raum: Mitarbeiter, Eigentümer, andere Stakeholder oder auch der Gesetzgeber stellen Anforderungen oder Bedingungen. Markt, Kunden, Lieferanten und Mitbewerber bilden das „Spielfeld“, in dem sich Unternehmen positionieren oder an das sich Unternehmen anpassen müssen, wenn Sie überleben wollen.

Genauso, wie ein Kapitän die „Untiefen“ im Fahrwasser vor sich kennen muss, brauchen Unternehmen eine Strategie, damit alle Management-Ebenen und auch die Mitarbeiter eine klare Orientierung haben und in eine gemeinsame Richtung gehen können.

Onpulson: Es gibt ja sehr unterschiedliche Bedeutungen des Wortes „Strategie“. Was beinhalten Strategien aus Ihrer Sicht?

Florian Grolmann: Wenn Strategien wirken sollen, müssen Sie hinreichend klare Antworten geben auf die Fragen:

  • Welche Entwicklungen sehen wir als Unternehmen, die unser Wirkungsfeld betreffen?
  • Was müssen wir tun, um auf diese Entwicklungen angemessen zu reagieren?
  • Wie sichern wir unsere Zukunfts- und Überlebensfähigkeit dauerhaft?

Je konkreter die Antworten, desto besser. Das Problem dabei ist allerdings: Nicht nur das Unternehmen „bewegt“ sich, der Markt und die „Unternehmensumwelten“ tun es auch. Und auch Konjunkturzyklen, Wettbewerber und technologische Entwicklungen haben nicht die Angewohnheit, sich um die Planungen irgendeines Vorstands zu kümmern. Wir haben es also regelmäßig mit zwei sich bewegenden „Systemen“ zu tun. Und wie es das Schicksal so will, sind diese Bewegungen meist nicht synchron und oft gegenläufig…

Onpulson: Also müssen Strategien regelmäßig angepasst werden….

Florian Grolmann: Sie sagen es. Gerade in technologisch getriebenen oder ökonomisch volatilen Märkten haben Strategien eine eingebaute „Halbwertszeit“. Lehrbücher behaupten ja immer, Strategien müssten nach spätestens drei Jahren angepasst werden.

Aber die Realität ist viel schlimmer: Nicht selten klagen Führungskräfte in unseren Workshops darüber, dass sie gar nicht erst dazu kommen, Strategien vollständig zu implementieren, weil die Realität jede Planung einholt.

Onpulson: Sollten folglich besser gar keine Strategie entwickelt werden?

Florian Grolmann: Die Antwort liegt im sogenannten „Dritten Modus“ der Strategieentwicklung. Es ist wichtig, eine Strategie zu haben („mache einen guten Plan“), sich aber im Strategieentwicklungsprozess bewusst zu sein, dass sich die Umwelten vermutlich doch etwas anders entwickeln werden als man es sich so gedacht hat (Optionen entwickeln: „Was tun, wenn es anders kommt, als geplant…“).

Das ist durchaus anspruchsvoll, aber Führungskräfte-Teams, die das gemeinsam und konstruktiv geschafft haben, erleben wir regelmäßig als agil genug, um auch größeren Veränderungen nachhaltig gewachsen zu sein.

Onpulson: Dann ist Strategieentwicklung eine Art Teamentwicklungs-Übung fürs Management?

Florian Grolmann: Gewissermaßen ja. Nichts ist so verbindend für Management-Teams, als gemeinsam valide Antworten auf wesentliche Zukunftsfragen zu entwickeln. Das gilt aber nur, wenn die Antworten so gut sind, dass sie von wesentlichen Teilen des Managements mitgetragen werden können – idealerweise von allen.

Strategieprozesse dienen also der Stärkung der Binnenkräfte auf zwei Ebenen:

  1. In der inhaltlichen Dimension der Entwicklung von validen Antworten auf Entwicklungsoptionen in den Unternehmensumwelten,
  2. in der sozialen Dimension der Stärkung der Binnen- und damit der Erhaltungskräfte im Management.

Gerade die zweite Ebene ist bedeutungsvoll, denn im Rahmen von Strategieprozessen finde ja immer auch Aushandlungsprozesse um Budgets, Macht und Einfluss statt. Wenn Management-Teams tief im Inneren begreifen, dass sie diese Herausforderungen nur gemeinsam meistern können, haben Sie sich meist zu einem wahrhaft „starken Team“ entwickelt, das dann meist auch in den „Stromschnellen der Realität“ angemessen reagieren können wird.

Nur, wenn Flexibilität, Aushandlungsfähigkeit, Kommunikationsbereitschaft und Konfliktfähigkeit des Managements („die sogenannte Binnenvariabilität“) hoch genug sind, können sich Unternehmen schnell und intelligent genug an veränderte Umwelten anpassen.

Onpulson: Können Sie einen idealtypischen Prozess beschreiben, wie ein Unternehmen bei der Strategieentwicklung vorgehen sollte?

Florian Grolmann: Das ist nicht wie bei „H&M“ – alles passt für jeden. Die Architektur von Strategieprozesse passen wir stets an die Ausgangssituation an und berücksichtigen auch, wie „geübt“ die Teilnehmenden im Strategieprozessen sind und in welcher Branche wir arbeiten. Da gibt es sehr komplexe und sehr unterschiedliche Designs, die hier den Rahmen sprengen würden. Aber wenn Sie nach archetypischen Grundschritten fragen, dann werden Sie diese Schrittfolgen sehr oft der „freien Wildbahn“ finden:

  1. Analyse des Umfelds und der Einflussfaktoren
  2. Wie müssen wir auf die Trends reagieren?
  3. Ziele ableiten, konkretisieren und operationalisieren
  4. Ableitung von Handlungsfeldern und Erarbeiten eines Maßnahmenplans

Onpulson: Können Sie hier noch bitte etwas konkreter werden?

Florian Grolmann: Natürlich. In einem Workshop könnte das dann so aussehen:

1. Analyse der Rahmenbedingungen / Trends

  • Welche konkreten Rahmenbedingungen / Trends sind relevant?
  • Was muss in der Zukunft unbedingt beachtet werden?

2. Analyse der Anforderungen an eine Strategie

  • Welche konkreten Anforderungen stellen die jeweiligen Stakeholder oder Stakeholdergruppen?
  • Was muss in der Strategie unbedingt abgebildet werden?

3. Erarbeitung und Strukturierung des Zielraums

  • Sammeln der Ziele
  • Clustern
  • Zuordnen der Ziele zu Anforderungen
  • Gruppierung und Festlegung der Zielfelder
  • Gewichtung der Ziele

4. Ziele konkretisieren / auf dem Prüfstand

  • Relevanz?
  • Attraktivität?
  • –> S.M.A.R.T. formulieren / konkretisieren

5. Konkretisierung, Formulierung und Bewertung der Ziele

  • Zielformulierung
  • Konkretisierung / Operationalisieren
  • Vollständigkeit
  • Relevanz
  • Messbarkeit

6. Ableitung von Handlungsfeldern

  • Was tun, um diese Ziele zu erreichen?
  • Erarbeiten von Maßnahmen in homogenen Stakeholder-Gruppen

7. Erarbeiten eines gemeinsamen Handlungsplans

  • Abstimmung der Einzelmaßnahmen in einen Umsetzungs- und Projektplan

Onpulson: Empfiehlt es sich sowohl für ein kleines, mittelständisches Unternehmen als auch für ein Großunternehmen einen solche Vorgehensweise bei der Strategieentwicklung anzuwenden?

Florian Grolmann: Wie gesagt: Die grundsätzliche Schrittfolge wird ähnlich sein. In großen Organisationen herrschen aber andere Bedingungen: Nicht selten gibt es in Konzernen Ziel- und Interessenskonflikte zwischen den Linienorganisationen. Dann braucht es längere Aushandlungsprozesse – und nicht selten auch mal ein „Machtwort“ des Vorstands, welche Teilziele für das Gesamtwohl der Organisation „geopfert“ werden sollen.

Dass diese Zielkonflikte aber eigentlich hausgemacht sind und Vorstände spätestens in Budget-Runden die Suppe auslöffeln, die Sie vorher angerührt haben, steht auf einem anderen Blatt…

Onpulson: Welche speziellen Tools können Sie für die Strategieentwicklung empfehlen?

Florian Grolmann: Die gibt es wie Sand am Meer: Wenn Strategien im kleinen Kreis entwickelt werden sollen, sind die gute alte „SWOT-Analyse“ oder auch Verfahren wie die Balance Score-Card anschlussfähig und nicht selten auch nützlich.

Wenn wir im Großgruppenverfahren arbeiten, nutzen wir nicht selten Variationen der „Future Search“-Methode. Letztlich hängt es aber davon ab, wie „geübt“ unsere Kunden in Strategieprozessen sind. Je mehr Vorerfahrungen da sind, desto komplexer und zeitsparender können wir mit unseren Kunden arbeiten.

Onpulson: Welches sind aus Ihrer Erfahrung heraus die typischen Fehler, die KMU bei der Entwicklung und Umsetzung einer Unternehmensstrategie machen?

Florian Grolmann: Nach unserer Erfahrung sind die häufigsten Fehler:

  • Es fehlen die notwendigen Informationen oder Fachwissen, um eine schlüssige Strategie zu entwickeln.
  • Bei der Zusammensetzung des Strategieteams wird eher auf hierarchische Aspekte geachtet als auf echtes Expertenwissen.
  • Die Strategieentwicklung wird vom Top-Management ins mittlere Management delegiert. Strategieentwicklung und ihre Umsetzung ohne direkte Anbindung an die Machtzentren einer Organisation sind zum Scheitern verurteilt.
  • Es fehlt Methodenwissen für einen professionellen Strategieprozess.
  • Die Kraft zur Durchsetzung der neuen Strategie fehlt. Spätestens hier rächt sich, wenn vorher Kritiker und Meinungsführer zu wenig eingebunden wurden oder im Umsetzungsteam fehlen.
  • Es fehlt ein wirksames Konzept zur Kommunikation der neuen Strategie. Oft wird entweder zu wenig kommuniziert oder einseitige „PR“ gestreut statt interaktive Kommunikations-Architekturen, in denen die Neuausrichtung mit weiteren Ebenen des Managements und führenden Mitarbeitern diskutiert und „verdaut“ werden kann.

Onpulson: Haben Sie abschließend noch einen Praxistipp für KMU?

Florian Grolmann: Nutzen Sie Ihre Mitarbeiter als Ressource und beziehen Sie sie in Strategieprozesse und den daraus eventuell folgenden Veränderungsprozessen mit ein. Das funktioniert sehr gut im Rahmen von Großgruppenveranstaltungen.

Wenn Widerstände bei der Umsetzung auftreten, nutzen Sie diese als Ressource für den weiteren Veränderungsprozess. Wie das funktionieren kann, schildern wir ausführlich auf unserer Website.

Onpulson: Vielen Dank für das Interview.

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