Nachhaltige Kundenbeziehungen – Jagen oder hegen und pflegen?
Im Grunde dürfte daran gar kein Zweifel bestehen: Stabile und nachhaltige Kundenbeziehungen sind die Lebensversicherung eines Unternehmens. Der unrentierlichste Auftrag ist ja bekanntlich der erste. Denn auf ihm lasten all die Aufwendungen, die das mehr oder wenige lange Werben ausgelöst hat. Dauerhafte Kundentreue müsste demnach gefördert und belohnt werden. Doch leider: Viele Unternehmensstrategien unterstützen dies nicht.
Eigentlich müsste es das größte unternehmerische Bemühen sein, alles zu tun, um aus teuer gewonnenen Kunden treue Immer-wieder-Kunden zu machen und somit die angefallenen Akquise-Kosten auf eine möglichst lange Kundenbeziehungszeit zu verteilen.
Doch die unternehmerische Praxis unterstützt dies nur selten. So wird bei jedem Wechsel in der Marketing- und Vertriebsführung gerne das Löwespiel gespielt: Beiß erst mal alles tot, was von deinem Vorgänger stammt. Manager müssen Spuren hinterlassen, heißt es so schön. Nur sind das nicht selten die Blutspuren ad acta gelegter Kundenprojekte, zerstörter Markenkontinuität und zweifelhafter Blitzkriege im Neukundengeschäft. In all diesen Fällen bleibt Loyalität auf der Strecke.
Jeder will den längsten Balken
‚Schneller, höher, weiter‘ heißt ein Virus, der wohl besonders gern in Männerhirnen nistet. Ungestüme Eroberungen sind weiter gefragt. Man soll 100-Tage-Ergebnisse zeigen. Die Medien schreien geradezu danach – immer noch! Wer will da mit leeren Händen kommen? So wird Kurzfristdenke weiter geschürt und wissentlich Zukunft geopfert. Hauptsache, man hat die längsten Balken in seinen Powerpoints. Doch das sklavische Streben nach mehr Umsatz, Rendite und Marktanteile und die Sorge, den Anschluss zu verpassen führen zu nichts als einem zerstörerischen Wettrüsten, dass an der knallhart umkämpften Verkaufsfront ausgetragen wird.
Bei solchen Beutezügen handelt es sich meist um die Kunden der Konkurrenz – und der Kampf um sie verursacht auch eigene Wunden. Denn Attacken auf den Kundenpool der Mitbewerber gelingen nur mit attraktiven Ködern: Preiszugeständnisse und Konditionen-Geschacher. Dabei ist es ein weit verbreiteter Irrtum, zu glauben, man könnte alle Kunden der Konkurrenz gewinnen. Jedes Unternehmen hat schließlich total loyale und damit nahezu abwanderungsresistente Kunden. Diese loseisen zu wollen verschlingt besonders viele Ressourcen. So werden profitable Stammkunden vernachlässigt, um unprofitable Neukunden zu jagen.
Jägern fehlt der Blick zurück
Wer immer nur an vorderster Front zugange ist und alle verfügbaren Waffen ins Schlachtfeld wirft, vergisst gerne den Blick zurück. Da wird nämlich schon kräftig am eigenen Kundenstamm gesägt. In stagnierenden Märkten brechen einem genauso viele Kunden hinten weg, wie man vorne hereinholt. Der Gewinner in diesem Nullsummenspiel? Der Kunde! Denn für ihn wird es meistens billiger. Aber auch besser?
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So müsste man sich also viel öfter mal fragen: Welche unserer Kunden sind absprungbereit? Wie erkenne ich ihre Warnsignale? Wie kann ich sie vor dem Wechsel retten? Und wie hole ich abgewanderte Kunden wieder zurück? Doch leider: Abhanden gekommene Kunden sind die ungeliebten Kinder des Vertriebs. Sie haben nämlich unangenehme Wahrheiten parat: Sie führen einem Niederlagen oder persönliches Versagen vor Augen. Da beginnt man doch lieber mit der Hatz nach Frischfleisch von vorn.
Beziehungsroutine kehrt ein
Natürlich sind auch neue Kunden wertvoll, aber nur dann, wenn man sie nicht auf Kosten seiner Bestandskunden gewinnt. Wer seine Verkäufer allerdings für Eroberungen belohnt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn diese nur nach neuen Kunden jagen. Dabei werden Interessenten oft nur so lange umgarnt, bis sie anbeißen. Kaum ist die Tinte trocken, hat das heiße Werben ein Ende. Die Charme-Attacken versiegen, Routine kehrt ein
Erinnert uns das nicht ein wenig an private Beziehungen? Wie sagt die Braut beim Hochzeitsfest: „Heute ist mein schönster Tag“. Das heißt: Von da an geht’s bergab. In bestehenden Kundenbeziehungen sieht es nicht selten ganz ähnlich aus. Da wird man nach Effizienz-Gesichtspunkten zwangsversorgt und soll sich in die vorbestimmten Abläufe fügen. Denn ist man erst mal Kunde, dann ist man zweiter Klasse.
Kunden zweiter Klasse
Unternehmen geben oft so unglaublich viel Geld aus, um neue Kunden zu gewinnen. Doch kaum sind sie endlich eingefangen, wird an allen Ecken und Enden gespart: Mitarbeiter werden nicht trainiert, es sind zu wenige da, sie haben keine Lust – oder Frust. Sie werden schlecht geführt, sie haben keine Ressourcen, keinen Spielraum und keine Ideen, um Kunden zu begeistern und schließlich zu loyalisieren. Die Kunden sollen sich vielmehr einfügen und parieren.
Denn nichts stört den geregelten Ablauf einer Organisation so sehr wie der Kunde: Er verhält sich falsch („Haben Sie die Gebrauchsanweisung nicht gelesen?!!“), gehorcht selbst den überaus deutlich formulierten Benimm-Regeln nicht („Wait to be seated!“) und hält die Mitarbeiter von der Arbeit ab („Entschuldigung, bedienen Sie auch?“). Der Kunde als Bittsteller, der um die Gunst schnippischer Verkäufer buhlt? Sich entschuldigen, wenn man etwas kaufen will? Oder Verkäufer jagen? Mit Geldbündeln, die er unbedingt loswerden möchte, kommt der Kunde an. Und dann marschiert das Geld, das schon im Laden war, wieder davon.
Oft genug zahlen Bestandskunden höhere Preise als Neukunden. Sobald sich aber ein Kunde enttäuscht, angeödet, gemobbt oder sonstwie schlecht behandelt fühlt, beginnt er, über einen Wechsel nachzudenken. Und 84 Prozent aller Kunden, so eine Untersuchung von RightNow, sind nach schlechten Erfahrungen nicht mehr bereit, jemals noch Geschäfte mit einem solchen Unternehmen zu machen.
Service oder Preis?
Einer Untersuchung von CRMGuru zufolge verlassen 74 Prozent aller Kunden ein Unternehmen wegen des schlechten Service, 32 Prozent wegen schlechter Qualität und 25 Prozent wegen der Preise. Die gleichzeitig befragten Manager hingegen glaubten, es sei zu 49 wegen der Preise, zu 36 Prozent wegen veränderter Bedürfnisse und nur zu 22 Prozent wegen des schlechten Services. Das heißt, die Sündenböcke werden im Außen und nicht im Innen gesucht. Man zeigt lieber auf andere als auf sich selbst. Dabei wäre es viel angebrachter, Selbstschau zu betreiben, und im eigenen Unternehmen nach wunden Punkten zu suchen.
Service am Bestandskunden hat für viele immer noch den Makel von Störungsbeseitigung und ist von daher ein Übel, das man am besten in Hinterzimmern (Backoffice!) versteckt. Für andere hingegen sind Service-Einheiten bereits eine sprudelnde Geldquelle, eine Pflegestation für Kundentreue und ein Profitcenter für Zusatzverkäufe. Exzellente Beziehungsqualität heißt automatisch auch hohe Loyalität. Im After Sales Service wird Loyalität gemacht.
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