Eine Projektmanagement-Kultur muss zum Erfolg reifen
In den vergangenen Jahren wuchs in vielen Unternehmen die Erkenntnis: Es reicht nicht aus, dass unsere Mitarbeiter Projektmanagementwissen haben. In unserer Organisation muss sich eine Projektmanagement-Kultur entwickeln, denn die Projektarbeit wird zunehmend zur Regelarbeitsform.
Projektmanagement wird neues Standardthema
Sichtet man die Mitarbeiterqualifizierungsprogramme der Unternehmen, dann fällt auf: Ihre Inhalte haben sich verändert. Spielte noch vor wenigen Jahren in ihnen zum Beispiel das Thema Teamarbeit eine große Rolle, so ist dessen Bedeutung inzwischen gesunken. Stattdessen hat sich die Projektarbeit zu einem Standardthema der betrieblichen Weiterbildung entwickelt. Hierin spiegeln sich die gewandelten Arbeitsprozesse und Organisationsstrukturen in den Unternehmen wider.
Bis vor wenigen Jahren befassten sich die firmeninternen Personal- und Organisationsentwickler vorrangig mit der Frage: Wie können wir die Arbeit in den Bereichen verbessern? Heute verfolgen sie zumeist einen bereichsübergreifenden Ansatz. Die Ursache hierfür: Aufgrund der Restrukturierungsmaßnahmen im vergangenen Jahrzehnt sind die Optimierungspotenziale in den einzelnen Unternehmensbereichen weitgehend ausgeschöpft.
Hier lassen sich keine Quantensprünge mehr erzielen – sei’s beim Steigern der Produktivität, der Innovationskraft oder der Reaktionsschnelligkeit der Unternehmen. Hinzu kommt: Heute durchzieht die Informationstechnik alle Unternehmen wie das Nervensystem den menschlichen Körper. Deshalb wirken sich Veränderungen in einem Bereich stärker auf andere aus. Eine weitere Ursache: Da sich das Umfeld der Unternehmen immer schneller wandelt, müssen diese in stets kürzeren Zeitabständen ihre Strategien und Geschäftsprozesse auf den Prüfstand stellen.
Vielzahl der Projekte erreicht die Ziele nicht
Deshalb boomt die bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifende Projektarbeit. Erfahrung im Projektmanagement ist heute häufig eine Voraussetzung für die Übernahme qualifizierter Fach- und Führungspositionen. Entsprechend viele Projektmanagement-Seminare werden in den Unternehmen angeboten – auch, weil die Verantwortlichen erkannten:
- Das Arbeiten in Projekten stellt andere Anforderungen an unsere Mitarbeiter als das Wahrnehmen einer Linienfunktion. Und:
- Ebenso wie sich nicht jede Fachkraft als Führungskraft eignet, ist auch nicht jede gute Führungskraft zugleich ein guter Projektmanager. Dafür sind die Arbeitsbedingungen in diesen Funktionen zu verschieden.
Nicht zuletzt wuchs diese Erkenntnis in den Unternehmen, weil viele Projekte scheitern – laut manchen Studien über 70 Prozent. Hinter dieser Zahl muss man zwar einige Fragezeichen platzieren, weil die Untersuchungen meist aus der Feder von Beratungsunternehmen stammen. Fakt ist aber: Viele Projekte erreichen ihre Ziele nicht. Dies kann man täglich der Presse entnehmen. Liest man dort,
- „Die Firma x verschiebt die Markteinführung ihres neuen Produkts“ oder
- „Der Umbau des Unternehmens y dauert länger als geplant“,
dann steckt dahinter stets die Botschaft: Bei einem Projekt wurden die Ziele nicht erreicht. Sei es, weil sie von Beginn an unrealistisch waren, weil unvorhergesehene Probleme auftraten, oder weil die Kosten ins Unermessliche stiegen.
Aufbau einer Projektmanagement-Kultur
Weil so viele Projekte scheitern, kamen viele Unternehmen zum Schluss: Für das erfolgreiche Managen größerer bereichs- oder gar unternehmensübergreifender Projekte genügt es nicht, unsere Mitarbeiter in mehrtägige Seminare zu schicken, in denen sie das kleine Einmaleins des Projektmanagements lernen. So erwerben sie nicht das für das Planen, Initiieren, Durchführen und Steuern der Projekte nötige Wissen. Auch wenn sie drei oder vier Projektmanagement-Seminare besuchen, die lose nebeneinander stehen, erfolgt keine systematische Ausbildung unserer Mitarbeiter, nach der diese
- dasselbe Projekt(management)verständnis haben und
- dieselbe Terminologie und dieselben Tools nutzen.
Kurz: Solche Seminare fördern zwar das Projektmanagement-Know-how der Mitarbeiter, sie tragen aber wenig zum Aufbau der gewünschten Projektmanagement-Kultur in unserer Organisation bei.
Deshalb konzipierten viele Unternehmen umfassende Projektmanagement-Ausbildungen für ihre Mitarbeiter. Sie sollen ihnen das Rüstzeug vermitteln, das sie zum Managen komplexer Projekte brauchen. Dabei erfolgt die Wissensvermittlung nie rein theoretisch. Vielmehr arbeiten die Mitarbeiter parallel dazu in Projekten. So können sie das frisch erworbene Wissen unmittelbar in die Praxis übertragen.
Projektmanager mit System ausbilden
Ein Merkmal dieser Ausbildungen ist: Sie erstrecken sich über einen längeren Zeitraum – zuweilen über Jahre. Dahinter steckt die Einsicht: Reife Projektmanager fallen nicht vom Himmel. Sie entwickeln sich. Unter anderem, weil qualifizierte Projektmanager auch bestimmte persönliche Kompetenzen benötigen. Sie müssen zum Beispiel
- Menschen führen, integrieren und motivieren können (ohne ihre disziplinarischen Vorgesetzten zu sein),
- komplexe Zusammenhänge wahrnehmen sowie in komplexen Strukturen denken können und
- Probleme, die den Projekterfolg gefährden könnten, früh erkennen und darauf angemessen reagieren.
Und noch etwas brauchen Projektmanager: ein starkes Rückgrat, um Konflikte aus- und Widerständen standhalten zu können.
Ein weiteres Merkmal der Ausbildungen ist,: Sie münden häufig in einer Prüfung, wenn nicht gar Zertifizierung. Denn wenn die für den Unternehmenserfolg strategisch wichtigen Aufgaben oft in Projekten erledigt werden, muss garantiert sein, dass die Verantwortlichen tatsächlich das gewünschte Projektmanagement-Know-how und -verständnis haben. Sonst kann in der Organisation die angestrebte Projektmanagement-Kultur nicht entstehen. Deshalb sollten die individuellen Entwicklungsmaßnahmen auch in einem kollektiven Entwicklungskonzept verankert sein.
Diese Verankerung ist nötig, weil die Ausbildung zum Projektmanager hohe Anforderungen an die Mitarbeiter stellt. Denn sie findet in der Regel parallel zur Alltagsarbeit statt. Also ist sie mit einer Mehrbelastung verbunden. Deshalb müssen die Unternehmen dafür sorgen, dass es für ihre Mitarbeiter attraktiv ist, Zeit und Energie in ihre Weiterqualifizierung zu investieren. Sonst besteht die Gefahr, dass das Unternehmen langfristig nicht über die benötigten Projektmanager verfügt.
Den Mitarbeitern Perspektiven aufzeigen
Wie aber stellen Unternehmen sicher, dass ihre Mitarbeiter ihre Projektmanagement-Kompetenz kontinuierlich weiterentwickeln? Indem sie ihnen die Relevanz dieser Kompetenz für ihre (künftige) Arbeit im Unternehmen deutlich machen. Hilfreich ist auch ein klares Signal der Unternehmensführung an die Mitarbeiter: Der Erwerb dieser Qualifikation ist eine Voraussetzung für die Übernahme höher qualifizierter (und dotierter) Positionen.
Als besonders fruchtbar erweisen sich institutionalisierte Projektmanagement-Ausbildungen in Unternehmen, die ihren Mitarbeitern wegen ihrer flachen Hierarchien wenig Aufstiegsmöglichkeiten in Führungspositionen bieten können. Entsprechendes gilt für Unternehmensbereiche, in denen viele hoch qualifizierte Spezialisten arbeiten, die gerade wegen ihres Expertenwissens für das Unternehmen wertvoll sind. Sie stehen oft vor der Frage: Welche Entwicklungsperspektiven können wir unseren Mitarbeitern bieten – finanziell und hinsichtlich ihres Wunsches, sich weiterzuentwickeln und eine exponierte Position zu übernehmen?
Hier stellt eine qualifizierte Projektmanagement-Ausbildung – verknüpft mit einer entsprechenden Projektlaufbahn, die neben der Führungs- und Fachlaufbahn steht – einen Lösungsansatz dar. Dieser wurde erst in einer überschaubaren Zahl von Unternehmen realisiert. Unter anderem, weil in vielen Firmen noch der Geist lebt: Wenn wir Geld in das Qualifizieren unserer Mitarbeiter als Projektmanager investieren, profitieren hiervon vor allem unsere Mitarbeiter. Sie sehen nicht, dass es sich hierbei auch um eine Investition in die Entwicklung des Unternehmens handelt.
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