Der Patriarch im Familienunternehmen hat zunehmend ausgedient
Der alles allein entscheidende Patriarch im Unternehmen hat ausgedient. Heute lautet die Devise: Mitbeteiligung statt Autorität. Der Führungsstil in Familienunternehmen hat sich grundlegend gewandelt.
Das ist eines der Kernergebnisse der Studie „Firma, Familie, Führung“ von KPMG in Zusammenarbeit mit dem Institut für Familienunternehmen (FIF) der Zeppelin Universität, für die rund 100 Familienunternehmen befragt wurden. Die Untersuchung zeigt die besondere Bedeutung von Firma, Familie und Führung für Familienunternehmen und stellt dar, wie diese Bausteine zu Erfolg und Misserfolg beitragen.
Führungskräfte und Mitarbeiter entscheiden gemeinsam
Teamwork und die Einbindung der Mitarbeiter ist heute entscheidend für den Erfolg eines Familienunternehmens. So werden in neun von zehn Familienunternehmen die Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse eingebunden. In 85 Prozent der befragten Familienunternehmen ist der Führungsstil partizipativ und in 65 Prozent kooperativ. Nur noch sechs Prozent der Familienunternehmen werden autoritär geführt. In vielen Fällen werden die Führungsstile kombiniert oder flexibel eingesetzt. Dieses situative Führen wird immer wichtiger, um flexibel auf Veränderungen im Umfeld reagieren zu können.
Info
Situatives Führen ist ein Führungsmodell, das vom US-Amerikaner Dr. Paul Hersey entwickelt wurde. Hersey geht davon aus, dass Führungskräfte nicht einen bestimmten Führungsstil verfolgen sollten. Vielmehr ist für eine erfolgreiche Mitarbeiterführung wichtig, sich flexibel und der Situation entsprechend anzupassen. Hersey macht den anzuwendenden Führungsstil abhängig vom Reifegrad des Mitarbeiters. Er unterscheidet hierbei zwischen vier verschiedenen Reifegraden.
Dr. Alexander Koeberle-Schmid, Studienleiter & Berater von Familienunternehmen bei KPMG: „Die Studie verdeutlicht den Trend zum situativen Führen: Welcher Führungsstil der beste ist und welche Person die richtige, hängt aber immer davon ab, in welcher Phase sich das Unternehmen befindet. In Wachstumsphasen brauchen Firmen eher ein delegatives Talent an der Spitze, in Zeiten der Restrukturierung sind eher autoritäre Typen gefragt.“
Gesellschafter sind loyal und wollen mitgestalten
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Gesellschafter sind loyaler als angenommen. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten gibt an, ihre Anteile am Familienunternehmen auf keinen Fall verkaufen zu wollen. Fakt ist: Sind Gesellschafter zufrieden mit der familiären Situation und fühlen sie sich als Teil einer starken Gemeinschaft, nimmt die Wahrscheinlichkeit des Anteilsverkaufs ab. Allerdings würden sie in 61 Prozent der Fälle ihre Anteile verkaufen, wenn die Unternehmensziele und -werte im Widerspruch zu den eigenen Vorstellungen stehen.
Familienfremde Manager werden schneller abberufen
Die Studie zeigt auch, dass das altbekannte Bild von „Business first“ zwar nach wie vor gilt. Allerdings treten bei familieninternen Geschäftsführungen subjektive Faktoren wie die Familienzugehörigkeit in den Vordergrund. So wird Loyalität zum Unternehmen wichtiger bewertet als Leistung. Nur 47 Prozent sagen, dass Familienmitglieder beim Einstieg ins Unternehmen ein spezifisches Anforderungsprofil zu erfüllen haben.
Zudem werden familienfremde Manager bei unterschiedlichen Vorstellung zur Strategie und bei Nichterreichen festgelegter Ziele deutlich schneller abberufen als Familienmitglieder. Das widerspricht allerdings dem selbst auferlegten Professionalitäts-Anspruch der Unternehmerfamilien. „Das gilt auch für die Einstellung von Managern. Die Zugehörigkeit zur Familie fällt stark ins Gewicht. Familienmitglieder steigen eher unabhängig von ihrer Ausbildung und Erfahrung in das Familienunternehmen ein“, so Studienleiter Dr. Koeberle-Schmid.
Die Studie zeigt zudem: Je größer und älter ein Familienunternehmen ist, desto mehr familienfremde Geschäftsführer gibt es – oftmals sogar neben den Familienmanagern (in der 5. Generation gibt es 53 Prozent gemischte Geschäftsführungen, in Unternehmen mit mehr als 500 Mio. Euro Umsatz sind es 66 Prozent).
Konfliktkultur ja bitte, aber nur solange es keinen Konflikt gibt
Grundsätzlich messen Unternehmerfamilien einer offenen und direkten Kommunikation einen großen Stellenwert zu (85,9 Prozent). Regeln zum Umgang mit Konflikten innerhalb der Familie werden als wichtig betrachtet (57,1 Prozent), kommen im Ernstfall jedoch kaum zur Anwendung (25,9 Prozent). „Unternehmerfamilien scheuen sich mitunter sehr stark vor Konflikten. Man kann durchaus sagen, dass familiengeführte Unternehmen sich oftmals schwertun, ihren eigenen Ansprüchen gegenüber der Konfliktkultur gerecht zu werden“, so Dr. Koeberle-Schmid. „Jeder Konflikt ist immer auch eine Chance, sich weiterzuentwickeln.“
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