Die Gründe, warum Kunden kaufen
Bevor es ans Verkaufen geht, stellt sich natürlich die Frage: Unter welchen Umständen kauft ein Kunde überhaupt? Wie, wann und warum entscheidet er, ober eine Sache für ihn nützlich ist – oder auch nicht. Und ist es tatsächlich der mehr oder weniger rationale Nutzen, der ihn zum Kauf veranlasst? Oder ist es in Wirklichkeit etwas ganz anderes?
Oft können Kunden keine Auskunft über die wahren Gründe für ihr Verhalten geben – oder sie machen sich selbst etwas vor. Denn vieles, was im Unterbewussten passiert, ist dem Verstand gar nicht zugänglich. Und dennoch: Wir alle suchen und finden ständig plausibel klingende Erklärungen, weshalb wir etwas tun – und anderes hassen wie die Pest. Wobei uns manche Erklärungen geradezu ‚aus der Luft gegriffen’ erscheinen.
Die moderne Hirnforschung zum Thema Kaufentscheidung
Auf der Suche nach Antworten für solche Phänomene kommt uns die moderne Hirnforschung mächtig zu Hilfe. Sie sagt: Emotionen sind die wahren Treiber jeder Kaufentscheidung. Produkte und Dienstleistungen, so der Neuro-Psychologe Hans-Georg Häusel, die keine Emotionen auslösen, sind für unser Gehirn wertlos. Und was für unser Gehirn wertlos ist, das wird auch nicht gekauft!
Verkaufen ist also in erster Linie Emotionsmanagement. Das heißt: Ein gutes Gespür zu entwickeln für die meist unausgesprochenen und oft gut getarnten Sorgen, Ängste, Nöte, Sehnsüchte, Hoffnungen, Wünsche und Träume der Kunden – und die dazu passenden Angebote bereitzuhalten. Nicht wer die billigsten Preise hat, sondern wer einen emotionalen Logenplatz im Kundenhirn besitzt, macht schließlich das Rennen.
Emotionen spielen eine entscheidende Rolle
Ohne Gefühle ist kein vernünftiges Handeln möglich. Und mehr noch: Emotionen haben bei jeder Entscheidung Vorfahrt. Das bedeutet: Wenn wir auch noch so stolz auf unser Denkhirn sind: Eine rein sachliche Entscheidung gibt es nicht. Den ‚Homo oeconomicus’, der seine Entscheidungen vollkommen rational trifft und nur auf seinen Nutzen bedacht ist, den hat es nie gegeben. Weder im Consumer-Geschäft noch im Business-to-Business-Bereich.
Für das, was hinter den mehr oder weniger verschlossenen Türen des Unterbewussten blitzschnell und ohne unser Zutun passiert, suchen wir erst im Nachklang die Gründe, die uns selbst und anderen plausibel erscheinen. Der Mensch entscheidet sich emotional – und begründet diese Entscheidungen rational. Wer also die Menschen stärker emotionalisiert, wird erfolgreicher sein. Ein weiteres Plus: Emotionales wird besser gespeichert und nachhaltiger verankert als Rationales.
Die Rolle der Emotionen bei Top-Entscheidern
Selbst die scheinbar so nüchternen, in den männer-dominierten Führungsetagen getroffenen strategischen Entscheidungen haben in hohem Maße mit Emotionen zu tun: mit Prestige, mit Macht, mit Reviergehabe, mit Positionskämpfen – und mit dem beruflichen Überleben. Gerade Top-Entscheider sind weit weniger Intellekt-gesteuert, als es zunächst den Anschein hat. Auch wenn sie das noch so verbergen wollen.
Sogar reine Geldentscheidungen sind in Wirklichkeit emotionale Entscheidungen – denn Geld ist eine hochemotionale Sache. Schnäppchenkäufe sind nichts anderes als Beutezüge. Selbst eine offensichtlich so sachliche Aussage wie: „Ich habe das Angebot A gewählt, weil es das billigste war“ ist in eine Fülle emotionaler Wertungen eingebettet. Denn Kaufentscheidungen sind nichts anderes als eine emotional gesteuerte Nutzenrechnung.
Positive Gefühle erzeugen
Wie unser Hirn das macht? Immer dann, wenn wir etwas gedacht oder getan haben, das aus Sicht des Gehirns eine Belohnung verdient, werden Glückshormone ausgeschüttet. Diese körpereigenen Opiate, den Drogen chemisch sehr ähnlich, geben uns ein wohliges Gefühl, sie machen uns je nach Art und Dosierung glücklich, euphorisch, ekstatisch. Und sie machen uns süchtig. Davon wollen wir mehr!
Positive Gefühle sagen uns, was wir tun, und negative, was wir besser lassen sollten. Diese Strategie der Natur hilft uns nicht nur, zu Überleben, sondern kann auch unsere Lebensqualität bemerkenswert verbessern. So hat die Evolution es eingerichtet, dass wir Menschen ständig auf der Suche nach guten Gefühlen sind. Zuhause genauso wie beim Kaufen und im Berufsleben.
Glück macht süchtig
Für den Verkauf bedeutet dies: Wem es gelingt, eine Wohlfühl-Atmosphäre zu gestalten, eine positive Stimmung zu erzeugen, dem Kunden Momente des Glücks zu verschaffen, der wird dauerhaft erfolgreich sein. Denn wem es gut geht, wer sich achtsam behandelt, wertgeschätzt und bestätigt fühlt, kauft eher – und mehr. Dann werden Kauflust-Zentren aktiviert, das Geld sitzt lockerer und der Preis als alleiniges Entscheidungskriterium tritt deutlich in den Hintergrund.
In einem positiven Zustand zu sein, hat weitere Vorteile. Wir werden offener und damit kreativer. Wir werden agiler und schreiten zur Tat. Und kleine Fehler verzeihen wir gern. Alles in allem: Wir sehen die Welt ein wenig durch die rosarote Brille; so wie ein Verliebter, der nur die guten Seiten sieht und über Schwächen milde hinwegschaut.
Angst schafft Blockaden
Negatives hingegen lähmt. Angst paralysiert und macht dumm. Die Erklärung dafür ist einfach: Bei Angst, Bedrohung und Stress sind die Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Hirnzellen, die so genannten synaptischen Spalten, blockiert. Dort können die Hirnströme nicht mehr ungehindert fließen, und wir können nicht mehr klar denken. Wenn wir also beunruhigt oder unsicher sind, dann kaufen wir lieber nicht.
Dies ist also die Botschaft an alle ‚Hardseller‘: Über Druck und Unbehagen zu verkaufen ist genauso falsch wie über Angst und Schrecken zu führen. Beides mag zwar zu kurzfristigen Erfolgen führen, auf Dauer ist es aber zerstörerisch. Denn Angst ist Gift für die Seele. Unser Hirn antwortet darauf mit Vermeidungsstrategien.
Zeit für Gefühle
Wenn nun also unsere Entscheidungen größtenteils von unserem Unterbewusstsein gesteuert werden und in Wahrheit emotionale Entscheidungen sind, dann ist es höchste Zeit, die meist fachlich-sachliche Ausrichtung vieler Verkaufsgespräche zu verknüpfen mit einer gut austarierten, emotional berührenden Argumentation und eingängigen Geschichten. Dabei sind drei Kernpunkte zu beachten:
- Die Menschen suchen aktiv nach guten Gefühlen
- Die Menschen meiden negative Gefühle
- Emotionales hat für unser Hirn Vorrang
Eine Hürde dabei: Überall dort, wo der Verstand regiert, ist der Zugang zu den Emotionen recht beschwerlich. Sie werden negiert, belächelt, eingenebelt und mit Tarnkappen verhängt. Und außerdem von jedem anders wahrgenommen. Denn die Menschen sind alle verschieden. Jede Menge Feingefühl und Empathie sind also vonnöten, denn wer möchte in seinen wahren Gefühlen schon gerne entlarvt werden?
Wer als Kunde allerdings ’seinem‘ Verkäufer emotional verbunden ist, der wird dies auch auf das Produkt übertragen. Und das Beste daran: Wenn Menschen angenehm berührt werden, suchen sie den Kontakt zu Mitmenschen und erzählen gern. So werden sie zu aktiven positiven Empfehlern. Das ist kostenlose Neukunden-Gewinnung und damit beste Umsatzzuwachs-Strategie aller Zeiten.
Beispiel
Um das gerade Gesagte an einem Beispiel zu demonstrieren, nehmen wir einen handelsüblichen Staubsauger als Anschauungsobjekt. Alle Staubsauger saugen Staub, auch wenn sie verschiedene Farben und Formen haben, auch wenn man den einen in der Hand hält und den anderen hinter sich her zieht. Sie alle funktionieren, mehr oder weniger lange, mehr oder weniger gut.
Was sie unterscheidbar machen mag, ist eine Design-Variation hier, eine Zusatzfunktion dort – oder die Marke. Ist all das nicht wichtig, entscheidet der Preis. Denn bei Austauschbarkeit entscheidet immer der Preis. Es sei denn, wir erleben einen Menschenversteher-Verkäufer, der seine Kunden glücklich machen will.
Eine wahre Geschichte
Dietmar Pascher, Partner und Trainer der Controller Akademie in Gauting erzählt: „Unser Staubsauger war kaputt, so fuhr ich zum nächsten großen Elektromarkt. Es waren nur wenig Kunden im Geschäft. Drei Verkäufer standen zusammen und unterhielten sich blendend. So blendend, dass es mir fast peinlich war, diese zu unterbrechen.
„Entschuldigung, ich bräuchte einen Staubsauger!?“ „Die finden Sie dort drüben“, war die knappe Antwort. Hartnäckig fragte ich weiter: „Was gilt es dabei zu beachten?“ „Sie finden neben jedem Gerät einen Aufsteller mit Infos und Spezifikationen“, antwortete einer der drei schon etwas genervt. „Können Sie mir da einen empfehlen?“, ließ ich nicht locker. „Ja, den billigsten, den wir da haben, finden Sie links vorne auf dem Kartonstapel“, war die prompte Antwort.
Ich ging hin und stellte fest: Dieser Staubsauger war wirklich saubillig, mehr aber auch nicht! So verließ ich den Laden und versuchte es bei einem Elektrofachgeschäft. Da standen die gleichen Produkte.
Bevor ich noch „Entschuldigung…“ sagen konnte, sprach mich ein freundlicher Verkäufer an: „Kann ich Ihnen helfen?“. „Ja bitte, ich suche einen Staubsauger?“ Ohne mir ein bestimmtes Modell zu zeigen, fragte er mich: „Wie viele Quadratmeter saugen Sie am Stück? Und haben Sie eine hohe oder geringe Staubbelastung?“ „150 Quadratmeter, aber ob die Staubbelastung hoch ist, weiß ich nicht“. „Auf welcher Seite von München sind Sie zu Hause?“ „Im Südwesten, warum?“ „Im Osten ist die Staubbelastung wegen der Westwinde am höchsten, die bekommen den Hausbrand von München ab“, erklärte der Verkäufer und fuhr fort: „Sind die 150 Quadratmeter auf einer Ebene, oder haben Sie mehrere Etagen?“. „Wir mieten ein Haus, also haben wir einen Keller, ein Erdgeschoß und ein Dachgeschoß“, sagte ich bereitwillig. „Dann kommen für Sie eigentlich nur mehr diese Modelle in Frage. Die haben eine ordentliche Leistung für die Quadratmeter, die Sie haben und sind dabei leicht und handlich, damit Sie einfach von einem Stockwerk zum anderen kommen. Haben Sie Personen mit Allergien im Haushalt? Ja? Dann bleiben eigentlich nur mehr diese drei Modelle übrig. Darf ich fragen, wer bei Ihnen zu Hause staubsaugt?“ „Ist das wichtig“, fragte ich vorsichtig. „Staubsaugen soll ja Spaß machen. Also, wenn Sie selbst daheim staubsaugen, dann suchen Sie sich doch ein Modell aus, dass Ihnen gut gefällt!“
Von dieser Seite hatte ich das noch gar nicht betrachtet. So habe ich mich für den ferrari-roten Staubsauger entschieden und der war nicht mehr billig. Seitdem war ich schon öfter dort und habe den Laden auch schon mehrfach empfohlen.“
Was wir daraus lernen können
Beide Geschäfte hatten die gleichen Modelle im Laden. Während im ersten über den Preis verkauft wurde, kam der zweite Verkäufer über Problemlösungen und gute Gefühle zum Ziel. Mit klugen Fragen ging er beim Kunden auf Entdeckungsreise – und machte einen treffsicheren Abschluss. Ach übrigens: Das funktioniert nicht nur beim Staubsauger-Verkauf.
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