Wie Sie sich als Führungskraft etablieren
Die ersten 100 Tagen entscheiden meist über den Erfolg einer jungen Führungskraft. Macht sie in dieser Zeit große Fehler, bekommt sie oft kein Bein mehr auf den Boden. Hier einige Tipps, die Sie (nicht nur) frischgebackene Führungskraft beim Antritt einer neuen Stelle beherzigen sollten.
Ein 32-jähriger Betriebswirt wird zum Leiter der Abteilung Kundenbetreuung befördert. Schwungvoll geht er ans Werk. Flugs gestaltet er in den ersten Tagen zentrale Arbeitsabläufe in seiner Abteilung um. Außerdem streicht er die gewohnten Besprechungen am Wochenanfang, die von allen als Zeitverschwendung angesehen werden. Danach beschäftigt er sich wochenlang vor allem mit dem Austüfteln eines Beschwerdemanagementsystems. Mit ihm will er Pluspunkte bei der Firmenleitung sammeln.
Anfangs lassen sich die Mitarbeiter vom Tempo ihres neuen Vorgesetzten und von dessen Organisationstalent und -eifer inspirieren. Hoch motiviert arbeiten sie in den ersten drei, vier Wochen. Doch dann fällt ihre Leistung spürbar ab. Solche Prozesse registriert man immer wieder, wenn eine junge Führungskraft ihr Amt antritt. Warum?
Holen Sie die Mitarbeiter ins Boot
Ein zentrales Versäumnis des neuen Leiters der Abteilung Kundenbetreuung war: Er holte seine Mitarbeiter nicht „mit ins Boot“. Er informierte sie weder über seine Arbeit, noch nutzt er ihre Erfahrung. Deshalb fragten sich seine Mitarbeiter irgendwann: Mit welch nutzlosem Kram beschäftigt der sich eigentlich den ganzen Tag?
Der neue Leiter der Abteilung Kundenbetreuung vermittelte seinen Mitarbeitern zudem keine Vision, wie sich die Zusammenarbeit künftig gestalten solle. Er verständigte sich mit ihnen auch nicht auf Ziele, die es bei der gemeinsamen Arbeit zu erreichen gilt. Also legten sich die Mitarbeiter zwar anfangs ins Zeug, um dem Neuen zu signalisieren: Ich bin ein guter Mann beziehungsweise eine gute Frau. Doch dann registrierten sie: Unser neuer Chef interessiert sich eigentlich gar nicht für uns und unsere Arbeit; er ist weitgehend mit sich selbst beschäftigt. Also schalten sie ein, zwei Gänge runter. Das heißt: Ihr anfänglicher Elan ließ nach – auch weil ihnen die nötige Orientierung im Arbeitsalltag fehlte.
Wie hätte die junge Führungskraft dies vermeiden können? Eine neue Führungskraft sollte in der Startphase, bevor sie beginnt, Dinge umzukrempeln, in Gesprächen mit ihren Mitarbeitern zunächst stets ermitteln:
- Wie war die Arbeit in dem Bereich bisher strukturiert und organisiert?
- Von welchen Maximen ließen sich die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit leiten?
- Welche Wünsche und Vorstellungen haben diese bezüglich der künftigen Zusammenarbeit?
Anschließend sollte sie ihren Mitarbeitern vermitteln, inwieweit ihre Erwartungen realistisch sind, welche (übergeordneten) Ziele es bei der künftigen Zusammenarbeit zu erreichen gilt und welche Rolle sie selbst beim Erreichen der gemeinsamen Ziele spielen.
Außerdem sollte die Führungskraft mit jedem Mitarbeiter im Vier-Augen-Gespräch klären: Wo stehst du? Wo willst du hin? Und: Was brauchst du dafür? Erst wenn sie diese Info hat, sollte sie damit beginnen, Abläufe sowie Zuständigkeiten neu zu definieren – und zwar so, dass ihre Mitarbeiter zielgerichtet arbeiten und ihren Beitrag zum Erreichen der übergeordneten Ziele leisten können.
Folgendes sollten Sie sich als Führungskraft nämlich stets vor Augen führen: Ihre Leistung wird letztlich an der Leistung Ihres Teams gemessen. Folglich ist Ihr beruflicher Erfolg und Ihr berufliches Fortkommen als Führungskraft, so paradox dies klingt, weitgehend abhängig von den Personen, die Ihnen untergeben sind. Das ist vielen jungen Führungskräften nicht ausreichend bewusst.
Erledigen Sie weniger Fachaufgaben
Der neue Leiter der Abteilung Kundenmanagement beging noch einen Fehler: Er verwendete (oder verschwendete) die meiste Energie für Fachaufgaben. Solche Aufgaben sollten Sie als Führungskraft nur erledigen, wenn dies außer Ihnen niemand tun kann. Sonst fehlt Ihnen schnell die erforderliche Zeit für Ihre Führungs- und Steuerungsaufgaben. Hierzu zählen unter anderem alle Gespräche, die Sie als Führungskraft mit Ihren Mitarbeitern führen müssen, damit diese ihren Beitrag zum Erreichen der Bereichs-/Unternehmensziele leisten (können). Die hierfür benötigte Zeit wird von Führungskräften oft unterschätzt.
Bei den meisten Führungskräften entspricht die Zeit, die sie für Fach-, Steuerungs- und Führungsaufgaben verwenden, nicht deren Bedeutung für ihren Erfolg als Führungskraft. Umfragen zeigen: Die meisten Führungskräfte verbringen 80 Prozent ihrer Zeit mit Fachaufgaben; nur zu jeweils 10 Prozent sind sie mit Steuerungs- und Führungsaufgaben beschäftigt. Dabei sollte das Verhältnis nahezu umgekehrt sein. Als Kompass für den Führungserfolg gilt: Führungskräfte sollten höchstens 20 Prozent ihrer Zeit für Fachaufgaben verwenden, 40 Prozent jeweils für Steuerungs- und Führungsaufgaben. Denn Führungskräfte werden nicht dafür bezahlt, Fachaufgaben zu erfüllen.
Erzeugen Sie die Leistung der Mitarbeiter
Was ist der „Job“ einer Führungskraft? Sie muss dafür sorgen, dass jeder Mitarbeiter seinen Beitrag dazu leistet, dass der Bereich beziehungsweise das Unternehmen seine Ziele erreicht. Doch wie lässt sich die hierfür nötige Leistung bei den Mitarbeitern erzeugen?
Das wissen viele junge Führungskräfte nicht. Unabdingbar hierfür ist, dass Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern regelmäßig über ihre Erwartungen an sie sprechen. Vor diesen Gesprächen sollten sich Führungskräfte überlegen: Wie kann ich dem Mitarbeiter die Ziele, die er bei seiner Arbeit erreichen soll, so vermitteln, dass er deren Wichtigkeit erkennt?
Des Weiteren: Wie motiviere ich ihn dazu, dass die für das Erreichen der Ziele nötigen Dinge auch wirklich tut? Dabei sollten Führungskräfte folgende Regel beherzigen: Diskutieren Sie im Gespräch mit dem Mitarbeiter nie über das Ziel, das es zu erreichen gilt. Dieses ist nicht diskutabel! Reden Sie mit ihm nur über den Weg, wie er dieses Ziel erreichen möchte. Denn wenn ein Mitarbeiter mitentscheiden darf, wie er beim Erreichen der gesteckten Ziele vorgeht, ist er in der Regel motivierter, als wenn Sie ihm jeden Arbeitsschritt vorschreiben. Außerdem entlasten Sie sich selbst als Führungskraft, wenn Sie die Entscheidung über das „Wie“ weitgehend Ihren Mitarbeitern überlassen.
Selbstverständlich gibt es auch Situationen, in denen Arbeitsanweisungen sinnvoller als Zielvorgaben sind – zum Beispiel bei extremem Zeitdruck. Wenn ein Schiff sinkt, kann der Kapitän nicht mit der Mannschaft darüber diskutieren, ob die Rettungsboote ins Wasser gelassen werden sollten. Er muss knappe und präzise Befehle erteilen. Intelligente Mitarbeiter akzeptieren das. Eine Führungskraft sollte daher ihr Führungsverhalten stets der jeweiligen Situation anpassen. Aber auch dem jeweiligen Gegenüber! Wenn ein Mitarbeiter eigeninitiativ nicht die erforderliche Leistung bringt, dann müssen Sie ihn an der „kurzen Leine“ führen – also weitgehend mittels Arbeitsanweisungen.
Die Wichtigkeit von Steuerung und Kontrolle
Das „Ziele vereinbaren “ oder „Anweisen“ ist aber nur der erste Schritt im Führungsprozess. Wenn der Mitarbeiter das Ziel kennt, muss er seine Aufgaben auch erfüllen. Dieses Umsetzen beziehungsweise das Erreichen von Teilzielen sollten Sie als Führungskraft auch kontrollieren. Denn sonst können Sie irgendwann nur noch registrieren: Das Kind ist in den Brunnen gefallen – also, die Ziele wurden nicht erreicht. Ein Gegensteuern ist dann nicht mehr möglich.
Kontrollieren und Steuern lautet folglich der zweite Schritt im Führungsprozess. Die Kontrolle kann sich, je nach Mitarbeiter und Bedeutung der Aufgabe, auf das Erreichen bestimmter Teilziele oder das Durchführen der hierfür nötigen Arbeitsschritte beziehen. Was der Situation und dem Mitarbeiter angemessen ist, müssen Sie als Führungskraft jeweils neu entscheiden. Klar sollte Ihnen aber sein: Ein Mitarbeiter, den Sie an der kurzen Leine führen müssen, verursacht Ihnen Mehrarbeit – ganz gleich, warum. Deshalb ist seine Arbeit weniger wert. Das sollten Sie ihm, sofern nötig, auch sagen.
Auf die Kontrolle folgt im Regelkreis des Führens das Anerkennen oder Kritisieren der Leistung des Mitarbeiters. Doch wie erkenne ich als Führungskraft die Leistung von Mitarbeitern angemessen an? Soll ich sie für alles Erreichte oder Getane loben? Die Antwort lautet: jein. Zwischen Lob und Anerkennung sollte man unterscheiden, ebenso zwischen Tadel und Kritik. Lob ist, ebenso wie Tadel, immer persönlich und pauschal. Anerkennung und Kritik hingegen beziehen sich auf eine bestimmte Leistung. Deshalb sollte sie sachlich und konkret sein. Anerkennung und Kritik sollten Führungskräfte in der Regel unter vier Augen äußern.
Weitgehend tabu sollten für Sie als Führungskraft auch solche Sprüche sein wie „So etwas passiert doch immer nur ihnen“ oder „… dem Huber“. Eine solche Bemerkung können Sie in Ausnahmefällen zwar mal fallen lassen, wenn Sie mit Gleichrangigen, also zum Beispiel anderen Abteilungs- oder Bereichsleitern, zusammen sitzen. In Mitarbeiterbesprechungen sollten solche Äußerungen für Sie aber tabu sein – und zwar nicht nur, wenn der Angesprochene anwesend ist.
Hüten Sie sich vor Übereifer
Beim Gestalten des Führungsalltags führen viele Wege zum Erfolg. Nur einer meist nicht: Von Anfang an alles anders machen zu wollen als der Vorgänger. Dies produziert in der Regel Widerstand. Außerdem fehlt Ihnen hierfür als Neuer in der Abteilung meist die erforderliche Information.
Tipp
Treffen Sie, wenn Sie eine neue Führungsposition antreten, in den ersten zwei Wochen keine wegweisenden Entscheidungen. Bemühen Sie sich vielmehr zunächst darum, die Arbeitsweise und die Handlungsabläufe in Ihrer neuen Abteilung kennen zu lernen.
Und sagen Sie dies auch Ihren neuen Mitarbeitern in den ersten Gesprächen, die Sie mit ihnen führen – selbst wenn diese Sie mit noch so vielen Anfragen wie „Chef, wie geht es weiter“ bestürmen. Manch Führungskraft schaufelte sich schon das eigene Grab, weil sie in der Startphase vorschnell weitreichende Entscheidungen traf und ihren Mitarbeitern irgendwelche Versprechen gab.
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