Als Führungskraft mit den Emotionen der Mitarbeiter richtig umgehen
Emotionen zeigen – das ist im Berufsleben oft verpönt. Wer dies trotzdem tut, wird schnell als „Weichei“ abgestempelt. Dabei spielen Gefühle beim menschlichen Miteinander in Unternehmen eine große Rolle. Deshalb brauchen Führungskräfte feine Antennen für offen und versteckt artikulierte Emotionen.
Der Führungskreis eines mittelständischen IT-Unternehmens tagt. Debattiert wird, wie der Mittelständler auf die aktuelle Wirtschaftsflaute reagieren sollte. Ein Vorschlag lautet: den Verkäufern niedrigere Abschlussprämien bezahlen. Da ergreift Vertriebsleiter Mayer das Wort und sagt erregt: „Das geht nicht. Sie können unseren Vertriebsleuten doch jetzt, wo sie ohnehin wenig Abschlüsse tätigen, nicht auch noch die Prämien kürzen. Das …“ Doch bevor der Vertriebsleiter sein Votum begründen kann, fällt ihm der Firmeninhaber ins Wort und sagt. „Herr Mayer, jetzt kriegen Sie sich mal wieder ein. Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen – auch Ihre Mitarbeiter.“
Ähnliche Situationen erlebt man in Unternehmen oft. Immer wieder registriert man in ihnen: Wenn Mitarbeiter Gefühle zeigen und sich für eine Sache auch emotional engagieren, wird dies von ihren Gesprächspartnern als unangemessen erachtet oder als Schwäche interpretiert. Doch nicht nur dies! Die Mitarbeiter werden zudem oft mundtot gemacht mit Aussagen wie zum Beispiel: „Nun lassen Sie uns mal sachlich bleiben“ oder „Jetzt malen Sie nicht gleich den Teufel an die Wand“
Die Tatsache, dass eine Person Emotionen zeigt, wird also als Legitimation genutzt, um sich mit ihrem Anliegen nicht ernsthaft zu befassen und zuweilen auch als taktisches Instrument, um sie ins Abseits zu manövrieren.
Und zeigt eine Person regelmäßig Gefühle? Dann wird sie schnell in eine Schublade gesteckt, aus der es nur schwer ein Entrinnen gibt. „Ach die Müller, die reagiert wie viele Frauen schnell hysterisch.“ Oder: „Ach der Mayer, der macht aus jeder Mücke einen Elefant.“
Emotionen werden meist kaschiert
Das wissen die Mitarbeiter. Deshalb sind sie in der Regel bemüht, am Arbeitsplatz wenig emotionale Betroffenheit zu zeigen. Stattdessen verbergen sie ihre Empfindungen hinter scheinbar rationalen Argumenten. Als Folge davon wird in Unternehmen oft endlos über Nichtigkeiten diskutiert. Und erreichen die betreffenden Personen mit ihrer scheinbar rationalen Argumentation ihre Ziele nicht, dann versuchen sie diese meist über Umwege zu erreichen – zum Beispiel, indem sie Aufgaben bewusst vergessen und Beschlüsse bewusst fehlinterpretieren.
Dies ist eine häufige Ursache, warum Unternehmen ihre Ziele nicht erreichen und viele Projekte scheitern. Denn letztlich besteht jedes Unternehmen aus einer Vielzahl von Menschen, die alle eigene Wünsche, Werte und Interessen sowie Erfahrungen und Meinungen haben. Deshalb sind, wenn Menschen miteinander kooperieren, stets auch Emotionen im Spiel.
Für Entscheidungsträger bedeutet dies: Sie müssen über die erforderliche emotionale Intelligenz verfügen, um Emotionen zu erkennen, diese richtig zu bewerten und auf sie so zu reagieren, dass die betreffenden Personen sich ernst genommen fühlen.
Das setzt neben Antennen für die Gefühle anderer Personen, ein feines Gespür für Menschen, Situationen und Konstellationen voraus.
Gespür für Situationen und Konstellationen
Ein feines Gespür für Situationen und Konstellationen ist wichtig, um Fehleinschätzungen und -entscheidungen zu vermeiden. Das sei an einem Beispiel illustriert. Vor drei Jahren startete ein IT-Dienstleister ein Changeprojekt, das darauf abzielte, noch kundenorientierter zu agieren. Alles lief aus Sicht der Unternehmensführung gut, bis der Vorstand entschied: Künftig müssen alle Mitarbeiter mit persönlichem Kundenkontakt Firmenkleidung tragen. Daraufhin brach eine mehr oder minder offene Revolte im Unternehmen aus. Aus zwei Gründen: Zum einen machte die Bekleidungsvorschrift vielen Mitarbeitern erstmals klar „Unsere Chefs meinen es mit der Veränderung ernst“, und zum anderen erlebten sie die Vorschrift als Eingriff in ihre Privatsphäre.
Eine Zeit lang bestand die Gefahr, dass das gesamte Projekt an der Kleiderfrage scheitert – vor allem, weil der Vorstand nicht erkannte, welch emotionale Bedeutung diese für die Mitarbeiter hatte und dass sich hinter dem Ablehnen einer einheitlichen Kleidung grundsätzliche Bedenken gegen das Veränderungsvorhaben verbargen.
Feine Antennen für die Emotionen vor allem ihrer Mitarbeiter benötigen Führungskräfte unter anderem, weil Emotionen im Unternehmenskontext selten offen artikuliert werden. Deshalb kann zum Beispiel die Aussage eines Mitarbeiters „Das geht nicht“ stets zweierlei bedeuten:
- „Das funktioniert aus fachlichen Gründen nicht“ und
- „Ich möchte dies aus persönlichen Gründen nicht“.
Was zutrifft, müssen Führungskräfte vielfach erst ermitteln. Auch deshalb benötigen sie ein feines Gespür für Menschen, Situationen und Konstellationen, damit sie gewisse Aussagen richtig einschätzen können.
Deshalb sollten Führungskräfte Mitarbeitern eigentlich dankbar sein, wenn diese ihre Emotionen zeigen oder ihnen so signalisieren:
- Achtung, hier sind Emotionen im Spiel. Und:
- Vorsicht, hier müssen bei der Problemlösung Dinge beachtet werden, die ich nicht auf der Rechnung hatte.
Dies erleichtert es ihnen, tragfähige Lösungen zu erarbeiten.
Emotionen anerkennen und würdigen
Deshalb sollten Führungskräfte die Tatsache, dass eine Person emotionale Betroffenheit zeigt, zunächst würdigen und anerkennen. Zum Beispiel mit folgenden Worten: „Ich sehe, dass Sie das Thema sehr interessiert.“ Oder mit Worten wie „Es freut mich, dass Sie sich so stark dafür engagieren, dass …“ Keinesfalls sollten sie auf emotionale Äußerungen mit Killerphrasen reagieren wie „Regen Sie sich nicht so auf“ oder „Lassen Sie die Kirche im Dorf“. Denn solche Aussagen verursachen beim Gegenüber schnell emotionale Verletzungen, die nur schwer verheilen. Sie zerstören letztlich das, was sich Führungskräfte von ihren Mitarbeitern wünschen:
- Identifikation mit ihrer Aufgabe sowie dem Unternehmen und
- die Bereitschaft, sich hierfür zu engagieren.
Denn diese Tugenden setzen stets auch emotionales Engagement voraus.
Entsprechend sensibel sollten Führungskräfte reagieren, wenn Mitarbeiter Emotionen zeigen oder artikulieren. Denn dies kann verschiedene Ursachen haben. Emotionen können daraus resultieren, dass sich eine Person sehr stark mit ihrer Aufgabe identifiziert, weshalb sie auch für bestimmte Lösungen kämpft. Sie können aber auch daraus resultieren, dass sich ein Mitarbeiter zu wenig mit seinem Job identifiziert und zum Beispiel bei neuen Aufgaben stets denkt „Verdammt, nun muss ich den Mist auch noch erledigen“. Dann ist eine andere Reaktion angesagt, als wenn die Emotion aus einer hohen Identifikation mit der Aufgabe und dem Unternehmen resultiert.
Keine Problemlösung durch emotionale Killerphrasen
Aber auch in einer solchen Situation sollten Führungskräfte auf die emotionale Äußerung nicht mit einer emotionalen Killerphrase reagieren. Denn dies trägt nicht zur Problemlösung bei. Sinnvoller ist es in einer solchen Situation, dem Mitarbeiter zunächst zu signalisieren, dass man die Emotionalität bemerkt hat – zum Beispiel mit den Worten „Herr Maier, ich merke, dass meine Aussage bei Ihnen auf wenig Begeisterung stößt. Trifft dies zu?“ Antwortet der Gesprächspartner „ja“, kann die Nachfrage folgen: „Würden Sie mir bitte erläutern, was aus Ihrer Warte dagegen spricht, dass ….“ Das heißt: Die Führungskraft sollte sich zunächst nochmals ein Bild davon verschaffen, warum der Mitarbeiter so reagiert, um vorschnelle Schlüsse zu vermeiden.
Zeigt sich dann, dass der Mitarbeiter sich zurecht überfordert fühlt, dann kann mit ihm eine tragfähige Lösung erarbeitet werden. Zeigt sich hingegen, dass sich der Mitarbeiter nicht ausreichend mit seinem Job identifiziert, dann sollte ihm klipp und klar vermittelt werden: „Herr Maier, Ihre Grundeinstellung zu Ihrer Arbeit stimmt nicht. Als Ihre Führungskraft erwarte ich von Ihnen, dass …. Und wenn Sie diese Erwartungen nicht erfüllen, dann sollten Sie mit folgenden Konsequenzen rechnen: …“ Auch dies ist manchmal eine angemessene Problemlösung.
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