So lassen sich positive Emotionen als Kraftquelle nutzen
Positive Emotionen sind der Motor für unsere persönliche Entwicklung. Also sollten wir danach streben, in unser Alltagsleben möglichst viele kleine Momente zu integrieren, in denen wir uns unter anderem über unser Leben und unsere Entwicklung freuen.
„Lachen ist gesund.“ „Lachen ist die beste Medizin.“ „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Diese Sinnsprüche kennt jeder. In ihnen spiegelt sich die uralte menschliche Erfahrung wider, dass Menschen, die mit einer positiven Einstellung zu sich und dem Leben (sowie bildhaft gesprochen einem Lächeln) durchs Leben gehen, Herausforderungen leichter meistern. Sie sind zudem gesünder und haben eine höhere Widerstandskraft. Das haben inzwischen auch die Medizin und Psychologie erkannt und versuchen, diese Erkenntnis wissenschaftlich zu objektivieren und gezielt zu nutzen.
Positive Emotionen fördern das Denk- und Verhaltensrepertoire
Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war, als die US-amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson 1998 die „Broaden-and-Build“-Theorie vorstellte. Sie geht davon aus, dass positive Emotionen wie Freude, Interesse, Zufriedenheit und Liebe unser Denk- und Verhaltensrepertoire erweitern („Broaden“). Sie fördern unsere geistige Flexibilität und Kreativität; außerdem unsere Lust, Neues zu lernen und zu entdecken, sowie unsere Fähigkeit und Bereitschaft, soziale Beziehungen einzugehen und aktiv zu pflegen.
Durch dieses Offen-sein sammeln wir wiederum neue, positive Erfahrungen – beispielsweise in Form kleiner Erfolgserlebnisse und erfreulicher Begegnungen. Und diese erzeugen wiederum positive Emotionen, so dass wir mit der Zeit, so Fredrickson, eine Art Vorrat positiver Emotionen und Erwartungen aufbauen, die es uns erleichtern, auch unangenehme Situationen zu ertragen und herausfordernde Probleme zu meistern.
Positive Emotionen stärken die Widerstandskraft
Positive Emotionen bilden für Fredrickson sozusagen den Nährstoff für persönliches Wachstum. Und wenn wir einen entsprechenden Lebensstil pflegen? Dann gelangen wir der „Broaden-and-Build“-Theorie zufolge in eine Aufwärtsspirale, die zu einem immer größeren Selbstvertrauen und Wohlbefinden führt.
Doch nicht nur dies. Inzwischen wiesen außer Fredrickson viele Forscher nach, dass positive Gefühle auch eine gesundheitsfördernde Wirkung haben: Das Herzkreislaufsystem wird gestärkt, die Antikörperproduktion wird forciert und die Entzündungsreaktionen verringern sich. Positive Emotionen steigern folglich außer unserer psychischen auch unsere physische Widerstandskraft. Sie wirken wie kleine Kraftmaschinen, die unsere körperliche und geistige Gesundheit und somit unsere Leistungskraft stärken. Deswegen sollten wir unser Leben so gestalten, dass es möglichst viele kleine Mikro-Momente voller positiver Emotionen enthält, die wir bewusst wahrnehmen.
Mikro-Momente von Glück schaffen und erleben
Ein Manko der positiven Emotionen ist: Sie sind in der Regel weniger intensiv als negative Emotionen. Zudem verarbeitet unser Körper die negativen Emotionen priorisiert. Deshalb nehmen wir positive Emotionen seltener und in der Regel weniger stark und anhaltend als negative wahr. Deswegn sollten wir, wenn wir die Kraftquelle „Positive Emotionen“ nutzen möchten, uns bewusst auf diese konzentrieren. Das heißt,
- wir sollten in unserem Leben bewusst Mikro-Momente schaffen, in denen wir positive Emotionen empfinden, und
- wir sollten die Momente, in denen wir positive Emotionen haben, bewusst erleben.
Ob wir eher positiv oder negativ denkende Menschen sind, hängt auch von unseren Genen ab. Doch teilweise ist diese Eigenschaft erlernbar – jedoch nicht von heute auf morgen. Einstellungsänderungen, aus denen Verhaltensänderungen resultieren, sind stets ein Langzeitunterfangen. Und inwieweit wir das Ziel erreichen, hängt auch davon ab, wie viel Positives wir bereits auf dem Weg dorthin erfahren und empfinden. Deswegen sollten wir uns, wenn wir eine nachhaltige Verhaltensänderung anstreben, fragen: Wie können wir die Verhaltensänderung mit positiven Emotionen verknüpfen? Mögliche Ansätze hierzu sind:
- Etwas finden, das uns Spaß macht und motiviert,
- auf kleine Unterschiede/Fortschritte achten (auf die wir stolz sein können),
- etwas mit anderen Menschen tun,
- die Aktivität möglichst attraktiv gestalten, ein angenehmes Umfeld schaffen,
- die Ansprüche an uns selbst nicht zu hoch schrauben,
- uns für Teilerfolge belohnen.
- Wichtig ist generell: Wir sollten nicht aus einem Gefühl „Ich muss…“, sondern „Ich sollte…“ beziehungsweise „Es tut mir gut, …“ heraus agieren. Und wir sollten zudem geduldig und nachsichtig mit uns sein – d.h. uns nicht in Selbstvorwürfen zerfleischen. wenn wir mal in alte Verhaltensmuster zurückfallen, sondern uns Schwächen zugestehen.
Der Unterschied zwischen hedonistischen und eudämonischen Wohlbefinden
Es macht einen Unterschied, ob wir mit einer Situation „zurechtkommen“ oder in ihr „aufblühen“. Manche Blumen vegetieren vor sich hin, während andere prachtvoll blühen. Es nutzt jedoch wenig einer darbenden Blume zu sagen: „Wachse endlich!“. Zielführender ist es, sich zu überlegen: Was bringt die Blume zum Wachsen? Alles, was ihr Wohlbefinden erhöht. Zum Beispiel: Licht, Wärme, Wasser und ein nährstoffreicher Boden. Und was beschleunigt ihr Wachstum? Dünger.
Generell unterscheidet man zwischen einem hedonistischen und einem eudämonischen Wohlbefinden. Ein hedonistisches Wohlbefinden stellt sich bei uns ein, wenn wir zum Beispiel ein vorzügliches Essen oder Glas Wein genießen. Ein eudämonisches Wohlbefinden empfinden wir hingegen unter anderem, wenn
- wir anderen etwas Gutes tun,
- unsere Potenziale nutzen oder
- uns für etwas einsetzen, das uns am Herzen liegt.
Ein eudämonisches Wohlbefinden hat einen stärkeren positiven Einfluss auf unsere Gesundheit – ohne das hedonistische Wohlbefinden gering zu schätzen. Und seine Wirkung ist nachhaltiger, denn es vermittelt uns zugleich das Gefühl von Sinn – zum Beispiel das Bewusstsein
- Ich gehöre zu einer Gemeinschaft (lebe in Beziehung),
- ich trage etwas zur Gemeinschaft bei und
- ich nutze meine Talente/Fähigkeiten.
Der Dünger für unser persönliches Wachstum sind deshalb die Mikro-Momente in unserem Leben, in denen wir ein eudämonisches Wohlbefinden empfinden. Damit sich dieses Gefühl häufig einstellt und wir es bewusst erleben, ist eine entsprechende Lebenseinstellung, -haltung und -führung nötig. Einige Aspekte, die unser eudämonisches Wohlbefinden fördern, seien hier genannt:
Den Moment genießen
Die Aufmerksamkeit auf die drei Zeitkomponenten der meisten positiven Ereignisse lenken – vorher: Vorfreude; währenddessen: bewusstes Erleben; danach: Reflexion (das Gedächtnis nutzen, um das Gefühl wieder aufzurufen).
Verbunden sein
Die Nähe und Verbundenheit mit anderen Menschen spüren. Fragen Sie sich zum Beispiel täglich am Abend: An welche positiven Begegnungen, Gespräche erinnere ich mich, und mit wem fühlte ich mich wie verbunden?
Erfolge feiern Fragen Sie sich zudem abends
Was habe ich heute so richtig gut gemacht? Worauf kann ich stolz sein?Dankbar sein: Fragen Sie auch, was ihnen durch andere Menschen, mit denen Sie in Beziehung stehen, Gutes widerfuhr? Wofür sollten Sie ihnen dankbar sein.
Mitgefühl praktizieren
Machen Sie sich bewusst, wo und wie andere Menschen leiden. Fragen Sie sich: Was kann ich tun, um ihr Leid zu reduzieren? Beispielsweise Hoffnung vermitteln sowie Mitgefühl und Präsenz zeigen.
Neugierig und offen sein
Machen Sie sich immer wieder bewusst, dass das Leben bunt und vielfältig ist. Es gibt noch so vieles zu sehen, zu lernen und zu erleben. Dann entdecken Sie auch viel Positives.
Freundlich und zugewandt sein
Nehmen Sie Ihre Mitmenschen bewusst wahr. Schauen Sie Ihnen in die Augen. Schenken Sie Ihnen ein Lächeln. Sagen Sie danke auch für scheinbar selbstverständliche Kleinigkeiten.
Wertschätzend sein
Machen Sie sich bewusst, was Sie an Ihren Mitmenschen schätzen. Welche Stärken haben sie? Warum freuen Sie sich auf Begegnungen, Gespräche mit ihnen? Sagen Sie dies Ihren Mitmenschen auch. Und schenken Sie ihnen häufiger ein anerkennendes Wort.
Echt und ehrlich sein
Zeigen Sie den Menschen (die Ihnen wichtig sind) Ihre Gefühle. Stehen Sie auch zu Ihren Ecken und Kanten. Denn nur dann werden Sie für die anderen als Mensch erfahrbar und es entsteht Verbundenheit.
Natur erleben
Begeben Sie sich bewusst in die freie Natur – zum Beispiel, um die Sonne auf Ihrer Haut oder den Wind an Ihrer Nasenspitze zu spüren. Auch das beeinflusst Ihr Befinden positiv.
Doch Vorsicht! Suchen, doch jagen Sie nicht das Glück. Denn wenn wir zwanghaft versuchen, uns zu freuen und unser Leben zu genießen, dann wachsen wir nicht als Person. Persönliches Wachstum ist eine Reise und kein Ziel. Suchen Sie Ihren Weg und folgen Sie ihm.
Was hier beschrieben wird kann ich nur unterschreiben. Tatsächlich habe ich im Gespräch mit einer Expertin aus der Positiven Psychologie vor ein paar Tagen zum ersten mal von der Broaden & Build Theory gehört. Ich bin seitdem umso mehr eine klare Verfechterin davon, dass es den eigenen Horizont erweitert, wenn man mit positiven Gefühlen erfüllt ist. Doch wir alle wissen wahrscheinlich, wie schwer es ist, im Alltag auf die schönen Dinge zu achten. Wo doch die allermeisten von uns darauf gepolt sind, den negativen Erlebnissen und Gefühlen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Den Tipp mit den Mikro-Momenten finde ich deswegen einfach klasse!