Wie manage ich ein virtuelles Team erfolgreich?
Wenn Experten standortübergreifend gemeinsam an der bestmöglichen Lösung eines Problems arbeiten (für die eigene Organisation oder Kunden), dann ist Vertrauen ein zentraler Erfolgsfaktor. Das gilt es bei der Auswahl der Personen, die solche virtuellen Teams leiten, und bei der alltäglichen Zusammenarbeit zu beachten.
Aufgrund der Globalisierung der Wirtschaft werden in den Unternehmen immer häufiger Problemlösungen in virtuellen Teams erarbeitet – also Teams, bei denen die Mitglieder an unterschiedlichen Orten und teils sogar in verschiedenen Ländern und Kulturen arbeiten. Erleichtert und teils sogar erst ermöglicht wird diese Form der Zusammenarbeit durch die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie.
Die Vorteile von virtuellen Teams
Virtuelle Teams haben gegenüber konventionellen beim Lösen gewisser Aufgaben eine Reihe von Vorzügen (siehe Abbildung 1). Sie ermöglichen zum Beispiel eine größere Kundennähe. Außerdem können „die besten Köpfe“ an den unterschiedlichen Standorten in die Suche einer Problemlösung eingebunden werden, was oft zu besseren Lösungen und zu einer höheren Akzeptanz von ihnen führt. Und: Sie tragen zu einer standortübergreifenden Netzwerkbildung bei, was die Identifikation mit dem Gesamtunternehmen erhöht.
Die Nachteile von virtuellen Teams
Diesen Vorteilen stehen Nachteile gegenüber (siehe Abbildung 2). So ist zum Beispiel die Kommunikation in virtuellen Teams schwieriger als in Teams, deren Mitglieder am selben Ort ihren Arbeitsplatz haben. Außerdem ist aufgrund der räumlichen Distanz und weil man sich nicht spontan als Team besprechen kann, eine stringentere Planung nötig. Deshalb stellt das Führen von virtuellen Teams an Führungskräfte höhere Anforderungen als das Führen konventioneller Teams.
Die Leiter virtueller Teams müssen selbstverständlich die klassischen Aufgaben einer Führungskraft erfüllen – wie Ziele vereinbaren und (im Team) erreichen sowie Mitarbeiter motivieren, fördern und entwickeln. All diese Aufgaben nehmen sie jedoch unter anderen Rahmenbedingungen wahr. Und hieraus resultieren auch andere (Kompetenz-)Anforderungen.
Vertrauen ist die Basis für erfolgreiche virtuelle Teams
Ein zentraler Erfolgsfaktor beim Führen virtueller Teams ist Vertrauen. Denn bedingt durch die Distanz erhält die Führungskraft weniger Detailinformationen und informelle Informationen, als wenn man sich regelmäßig auf dem Flur begegnet und ein paar Worte miteinander spricht. Also ist auch weniger Kontrolle möglich, was wirklich passiert. Führung muss sich folglich lockerer gestalten. Das heißt in der Konsequenz: Die Teammitglieder müssen mehr Verantwortung übernehmen. Also muss auch die Vertrauensbereitschaft der Führungskraft größer sein.
Hieraus resultieren folgende Anforderungen an die Kompetenz und Persönlichkeit der Frauen und Männer, die virtuelle Teams führen. Sie müssen unter anderem ein positives Menschenbild und ein niedriges Kontrollbedürfnis haben. Sie müssen zudem eine klare und die Mitarbeiter motivierende Vision davon haben, wie sich die Zusammenarbeit gestalten und von welchen Werten das Miteinander geprägt sein soll. Außerdem müssen sie sensibel für die Wertesysteme und Bedürfnisse anderer Menschen sein – insbesondere dann, wenn diese eventuell aus anderen Kulturen stammen.
Darüber hinaus müssen sie über die Fähigkeit verfügen, mit ihren Mitarbeitern realistische Ziele zu vereinbaren und ihnen ein konstruktives, ihre Entwicklung förderndes Feedback zu geben. Außerdem müssen sie gute Kommunikatoren sein und eine hohe Affinität zu den modernen Kommunikationstechnologien haben.
Zusammenfassend kann man sagen, die wichtigen Führungsaufgaben der Leiter virtueller Teams sind:
- geeignete Teammitglieder aussuchen bzw. qualifizieren,
- Vertrauen aufbauen,
- die Kommunikation sicherstellen,
- Arbeitsroutinen etablieren und
- das Team entwickeln.
All diese Aufgaben gestalten sich bei virtuellen Teams anders als bei konventionellen Teams, da die Rahmenbedingungen andere sind.
Die Auswahl der Teammitglieder
Das Arbeiten in virtuellen Teams stellt höhere Anforderungen an die Führungskräfte und die Teammitglieder. Daraus, dass die Teamleitung mehr Verantwortung abgeben muss, folgt: Die Teammitglieder müssen diese Verantwortung professionell wahrnehmen können. Sie müssen
- unabhängig arbeiten,
- ihre Handlungs- und Entscheidungsspielräume effektiv nutzen und
- sich selbstständig vernetzen
können. Deshalb sind Mitarbeiter, die einer engen Führung bedürfen, in virtuellen Teams schlecht aufgehoben. Die Teammitglieder müssen zudem – wie die Teamleitung – eine hohe Affinität zur modernen Informations- und Kommunikationstechnologie sowie eine gewisse Kompetenz im Umgang mit ihr haben. Bei Teams, deren Mitglieder in verschiedenen Kulturen zuhause sind, ist zudem eine interkulturelle Kompetenz nötig.
Vertrauen aufbauen
Die wichtigste Komponente für das Funktionieren virtueller Teams ist das Vorhandensein von Vertrauen. Dieses gilt auch für konventionelle Teams. In virtuellen Teams ist es jedoch deutlich schwieriger, Vertrauen aufzubauen. Zugleich ist jedoch aufgrund der Entfernung zwischen den Mitgliedern ein höheres Maß an Vertrauen nötig.
Beim Vertrauen gilt es, zwischen
- dem Vertrauen in die fachliche und persönliche Kompetenz der anderen Teammitglieder und
- dem persönlichen Vertrauen zwischen den Teammitgliedern
zu unterscheiden. Das Vertrauen in die Kompetenz lässt sich durch eine entsprechende Auswahl der Mitglieder realisieren. Sollte bei einzelnen Mitgliedern noch ein Defizit bei der Kompetenz bestehen, dann muss diese entwickelt werden.
Persönliches Vertrauen lässt sich nur aufbauen, indem man den Teammitgliedern eine Gelegenheit gibt, sich persönlich kennenzulernen und ein Gespür dafür zu entwickeln, wie der jeweils andere „tickt“. Wie verhält er sich? Was ist ihm wichtig? Deshalb sollte, bevor virtuelle Teams ihre Arbeit aufnehmen, ein Kick-Off stattfinden, bei dem die Mitglieder sich „beschnuppern“ und Auge in Auge miteinander kommunizieren können, so dass sie den jeweils anderen auch als Individuum wahrnehmen. Zudem sollten regelmäßig Treffen – zum Beispiel halbjährlich – stattfinden, bei denen die Teammitglieder über die gemeinsame Arbeit sprechen und ihre persönliche Beziehung vertiefen. Je besser sich die Mitglieder bereits kennen, umso seltener sind solche Treffen nötig.
Vertrauen entwickelt sich stets mit der Zeit und durch eine regelmäßige Kommunikation. Sich gut informiert zu fühlen, ist eine wichtige Voraussetzung für Vertrauen. Hilfreich ist es auch, wenn dem Team eine Plattform für die informelle Kommunikation zur Verfügung steht. Diese Funktion können soziale Netzwerke, Chat-Tools und ähnliche Instrumente erfüllen.
Die Kommunikation sicherstellen
Eine Kernaufgabe der Teamleitung ist es, für eine regelmäßige, offene und umfassende Kommunikation zu sorgen. Hierfür ist es nötig, Kommunikations- und Informationsroutinen zu etablieren, die vom Team angenommen und unterstützt werden. Regelmäßige virtuelle Team-Meetings gehören ebenso dazu wie Vier- und Mehr-Augengespräche. Wie offen und von Vertrauen geprägt die Kommunikation ist, hängt stark von der Teamführung ab.
Für eine effektive, das heißt regelmäßige und zielorientierte Kommunikation ist das Vorhandensein der erforderlichen Informations- und Kommunikationstechnik eine wesentliche Voraussetzung. Sie sollte unter anderem folgende Funktionen ermöglichen oder erfüllen:
- gemeinsame Datenhaltung, die eine Konsistenz der Daten ermöglicht,
- unkomplizierte Terminabstimmung,
- verteilte Besprechungen und
- informelle Kommunikation.
Es gibt immer mehr Tools, die eine oder mehrere dieser Funktionen abdecken. Die gemeinsame Datenhaltung wird zunehmend über Cloud-Systeme realisiert. Die Daten der verschiedenen Teammitglieder werden mit der Cloud synchronisiert, so dass diese stets Zugriff auf die jeweils aktuellsten Daten haben.
Ein Synchronisieren der Terminpläne und -kalender ermöglichen zahlreiche Kollaborationssoftware-Programme. Microsoft Exchange, Lotus Notes sind Beispiele hierfür. Für verteilte Besprechungen gibt es eine wachsende Anzahl an Lösungen, die unterschiedliche Funktionen anbieten. Webex, Netviewer, Vitero, Lync sind Beispiele hierfür. Sie ermöglichen beispielsweise folgende Funktionen:
- Audiokonferenz,
- Videokonferenz,
- Moderationstools,
- File Sharing,
- simulierte Kartenabfragen,
- Brainstorming-Tools und
- Umfragen.
Viele Funktionen einer traditionellen Besprechung können also mit ihnen abgedeckt werden.
Am schwierigsten gestaltet sich die informelle Kommunikation. Für den privaten Bereich gibt es viele Apps, die eine informelle Kommunikation über Distanz ermöglichen. Als Beispiele seien Skype, Facebook, Twitter, WhatsApp und WeChat genannt. Auch im Business-Bereich finden solche Lösungen zunehmend Verbreitung, denn die Unternehmen erkennen immer stärker, wie wichtig die informelle Kommunikation für eine gute Zusammenarbeit in verteilten Arbeitsumgebungen ist.
Entwicklung von virtuellen Teams
Wie traditionelle Teams durchlaufen auch virtuelle Teams teamdynamische Prozesse. Die vier Entwicklungsphasen nach Bruce Tuckman (forming, storming, norming, performing) werden auch hier durchlebt . Bei virtuellen Teams ist die Gefahr jedoch größer, dass das Team in der Storming-Phase stecken bleibt – insbesondere dann, wenn die nun auftretenden Konflikte nicht nachhaltig bearbeitet werden.
Das Bearbeiten der in jedem Team auftretenden Konflikte ist der Dreh- und Angelpunkt für die Effektivität von Teams. In virtuellen Teams werden vorhandene oder sich anbahnende Konflikte oft erst spät von der Teamleitung wahrgenommen. Deshalb ist es wichtig, dass in ihnen eine Kultur der Offenheit, des konstruktiven Feedbacks sowie Respekts besteht. Denn wenn eine gesunde Vertrauensbasis existiert, können
- vorhandene Konflikte sowie
- Interessengegensätze sowie unterschiedliche Wahrnehmungen und Einschätzungen, aus denen Konflikte erwachsen könnten,
leichter angesprochen und bearbeitet werden. Dessen ungeachtet muss die Teamleitung für eventuelle Unstimmigkeiten sehr sensibel sein, denn diese artikulieren sich in virtuellen Teams oft versteckter (zum Beispiel in Mails und Memos) als bei konventionellen Teams.
Zusammenfassung
Virtuelle Teams stellen höhere und teils andere Anforderungen an die Teammitglieder und die Teamleitung als traditionelle Teams. Da in ihnen die Teammitglieder aufgrund ihrer räumlichen Entfernung eigenständiger arbeiten, ist Vertrauen ein wichtiger Erfolgsfaktor. Werden diese Besonderheiten beim Zusammensetzen der Teams und bei der Teamführung bedacht, dann können virtuelle Teams eine zentrale Rolle bei der Zielerreichung von Unternehmen spielen – unter anderem, weil in ihnen standortübergreifend die besten Experten mitarbeiten. Deshalb können in ihnen nicht nur die für die einzelnen Standorte oder Märkte, sondern auch für das Gesamtunternehmen besten Lösungen erarbeitet werden.
In diesem Artikel wird das Phasenmodell von Tuckman erwähnt. Eine detaillierte Erklärung des Modells, in dem ebenfalls Handlungsempfehlungen mitgegeben werden, gibt es auch in folgendem Artikel: https://www.me-company.de/magazin/forming-storming-norming-performing/