Die Kunst der Rhetorik- Was wir von Barack Obama lernen können
Berührend und beeindruckend, offen und nüchtern - so schätzen Politiker, Diplomaten und Experten Obamas Antrittsrede für sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten ein. Ganz ohne Zweifel: Obama ist ein rhetorischer Glücksfall. Doch was genau machen Obamas rhetorische Fähigkeiten aus?
Mut machen
Obwohl Obama die Probleme offen anspricht, hat er kein sehr düsteres Bild der Lage gezeichnet. Seine Botschaft:
„All das können wir schaffen. Und all das werden wir schaffen.“
„Wir bleiben die reichste und mächtigste Nation der Welt.“
„Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind ernst… Aber das sollst du wissen, Amerika, wir werden sie bewältigen!“
Fazit: Verbreiten Sie bei Ihren Vorträgen Zuversicht, machen Sie Mut. Redner, die ihre Wunden lecken, kommen bei den Zuhörern nicht gut an.
Souveränität bei Pannen zeigen
Der Richter John Roberts hatte die Wortreihenfolge des Amtseides verkehrt vorgetragen, was Obama kurz zum Stolpern brachte. Er ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Er war offenbar darauf vorbereitet, dass es immer und überall Pannen oder Aussetzer geben kann – vor allem in Stresssituationen.
Fazit: Wer über der Sache steht und bei solchen persönlichen Pannen souverän reagiert, ist ein absoluter Profi und beweist, dass er gut ist. Kleine Fehler, Pannen oder Versprecher wirken menschlich und machen glaubwürdig.
Gut vorbereitet sein
Obwohl Obama selbst schon zwei Bestseller geschrieben hat, lässt er sich beim Redenschreiben helfen. Von Jon Favreau, 26 Jahre alt, der aussieht wie ein Schülerpraktikant. Doch das täuscht: Seine Sätze, Worte, Metaphern und Bilder vergolden Obamas Reden. Er schreibt Sätze, die Millionen Menschen Gänsehaut machen. Allerdings nur, wenn sein Chef sie ausspricht. Dieselben Worte aus dem Mund von, sagen wir, Kurt Beck, würden schlicht und blass wirken. Das macht einen guten Redenschreiber aus: Der Einklang mit dem Redner. Er muss dessen Gedanken lesen können, darf ihm keine fremden Worte in den Mund legen.
Regel für das Schreiben von Reden
Wenn Sie Ihren Redetext selbst schreiben, sollten Sie folgende Regeln beachten:
- Haben Sie sich auf das Thema konzentriert und nicht zuviel in die Rede gepackt?
Gut! Eine Rede ist kein Bauchladen! Beschränken Sie sich auf ein einziges Thema und gliedern Sie dieses in maximal fünf logische Punkte, sonst verwirren Sie Ihre Zuhörer. Die größte Kunst eines Redners ist das Weglassen. - Zeichnet sich Ihr Redetext durch „story telling – quality“ aus?
Gut! Kleiden Sie Ihre Botschaften in kleine Geschichten. Nichts hält Ihr Publikum besser wach! Nichts macht den Vortrag unterhaltsamer! - Wollen Sie Ihr Publikum zum Lachen oder Schmunzeln bringen?
Gut! Doch Vorsicht: Nichts ist peinlicher als ein Redner, der als einziger über seinen Witz lacht. Beschränken Sie sich auf Witze oder Anekdoten, die wirklich geistreich sind! - Haben Sie Zitate eingebaut?
Gut! Aber wählen Sie sorgfältig aus. Zitate mit Witz und Pfiff, kurz, von klugen Leuten mit Autorität, nicht zu viele und vermeiden Sie das Zitieren langer Passagen. Nehmen Sie immer Filetstücke, nie die ganze Kuh! - Argumentieren Sie mit Zahlen?
Gut! Nichts überzeugt mehr, als handfeste, konkrete, überprüfbare Zahlen. Es ist besser zu sagen „83%“ als „die meisten“ oder „die Mehrzahl“. - Lockern Sie Ihren Text mit rhetorischen Fragen auf?
Sehr gut! Sie machen neugierig und zwingen zum Mitdenken. Sie können ganze Passagen Ihrer Rede mit lauter klug gestellten rhetorischen Fragen bestreiten. Grundsätzlich gilt: Ein Vortrag ohne Fragen gleicht einem schlecht durchlüfteten Zimmer. - Sind Ihre Sätze unterschiedlich lang?
Prima! Gleichmäßig lange Sätze wirken monoton und machen müde. Oder sie wecken Aggressionen, wie ein tropfender Wasserhahn bei Nacht.
Fazit: Bereiten Sie sich gut vor und lassen Sie sich ruhig dabei helfen.
Bildhaft reden
„Wir müssen uns mit Hoffnung den eisigen Strömen stellen.“
„Der Flickenteppich der Vereinigten Staaten ist unsere Stärke.“
„…Worte, gesprochen in Flutzeiten des wachsenden Wohlstands und in der ruhigen See von Friedenszeiten.“
Barack Obama spricht die Phantasie seiner Zuhörer an. Er malt die Zukunft mit Worten, macht Mut und ist scheinbar in allen Lebenslagen sicher in seiner Kommunikation. Und obwohl er fachlich top ist und sich bestens in den wirtschaftlichen und globalen Begegenheiten auskennt, spricht er genau in dem Moment, in dem er das Rednerpunkt betritt, mit einfachen und eingänglichen Worten aus dem Herzen und damit genau die Herzen der Zuhörer an.
Fazit: Bildhafte Ausdrücke werden in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet und damit im Langzeitgedächtnis gespeichert.
Kommentare