Der richtige Umgang mit Macht im Management
Werden Manager gar nicht schlau? Was der größte Bluff aller Zeiten - ausgelöst durch Macht- und Renditegier, gekoppelt mit Kurzzeitdenke und Vernebelungskalkül - so alles anrichten kann, das wissen wir doch jetzt. Was macht Macht nur so verführerisch? Und warum ist sie so gefährlich? Gemeinschaften brauchen Ordnungssysteme, Machtstrukturen und Hierarchien. Die Klärung der Rangordnung ist daher notwendig und genießt eine hohe Priorität. Man kann es aber auch mächtig übertreiben. Und das kostet dann nicht weniger als die Zukunft.
Menschen klären zunächst die Status-Frage
Treffen sich zwei Menschen, dann werden sie sich völlig unbewusst zunächst über ihren Status verständigen: Ist der andere mächtiger, attraktiver, einflussreicher, intelligenter und wohlhabender oder kleiner, dümmer und ärmer als ich? Ist er in der Lage, mir die Frau/den Mann wegzunehmen? Wie hoch ist sein gesellschaftliches Ansehen? Bedroht er mein Territorium oder meinen Arbeitsplatz? Solches Abgleichen passiert bei Männern nicht selten über Wortgeplänkel oder Wissensbrocken, die sie sich zu Beginn einer Begegnung zuwerfen. Frauen unter sich tun dies eher wortlos mit jenem abschätzenden Körperscan-Blick, der fragt: Wo hat die andere denn ihre Problemzonen?
Wie kommt Machtgehabe zum Ausdruck?
In den meisten Fällen geschieht dieser Abgleich jedoch auf äußerst subtile Weise und ist nur für Kenner der Materie wahrnehmbar: die Form des Begrüßungsrituals, die Intensität des Blickkontakts, das Ausladende in der Gestik, der Anteil an Redezeit, die Angleichung der Stimmlage. So passt sich der Unterlegene der Stimmlage des Überlegenen an. Hohe Stimmlagen lassen dabei auf Unterordnung schließen. Ranghohe reden mit lauter Stimme und im ‚Brustton der Überzeugung‘. Rangniedrige werden mit Blicken gebändigt – oder keines Blickes gewürdigt.
So ‚leihen‘ Topmanager ihren Mitarbeitern nurmehr ihr Ohr und zeigen ihnen damit die ‚kalte Schulter‘. Sie überhören eine Frage oder schenken ihnen höchstens noch Bruchteile ihrer wertvollen Zeit. Sie benötigen einerseits Zeichen der Macht und andererseits Zeichen der Unterwerfung, um sich ihres Status ganz sicher zu sein. Zu letzteren gehören: eine leise Stimme, ein ausweichender Blick, ein seitlich geneigter Kopf, das Sich-klein-machen, ein unterwürfiges Lächeln, eine Entschuldigung. Solche Gesten erzeugen Beißhemmung.
Manche Mitarbeiter sind ganz groß darin, ihren Oberen auf diese Weise eine Bühne für deren Herrlichkeit zu verschaffen. Studien haben übrigens gezeigt, dass beim Sieger eines Kampfes dessen Testosteronspiegel hoch bleibt, während er beim Unterlegenen sofort sinkt. Damit Gruppen handlungsfähig bleiben, gibt es diesen Unterwürfigkeits-Automatismus – auch heute noch. Erst wenn die Statusfrage geklärt ist, kehrt Ruhe ein.
Die Folgen von Machtgehabe im Management
In jeder Führungsriege finden zwangsläufig Machtkämpfe statt. Das Thema hat bunte Facetten und kennt traurige Geschichten. So bekommt das beliebte Männer-Spiel ‚mein Auto, mein Haus, mein Boot’ in den Zentren der Macht eine ganz neue Dimensionen und heißt: mein Lear-Jet, meine dritte Fusion, mein veröffentlichtes Jahresgehalt. Dabei wird Kapital in Milliardenhöhe vernichtet und dies meist auch noch ungeniert vor den Augen der verdutzen Öffentlichkeit mit Millionen-Abfindungen belohnt.
Chefetagen sind oft nichts anderes als Abenteuer-Spielplätze, auf denen hoch bezahlte Jungs mit den Bauklötzchen der Macht spielen (dürfen). Abgesehen von hinderlichen Intrigen und peinlichem Testosteron-Schaulaufen führt dies ja auch dazu, dass einer bereit ist zu verlieren, nur damit der andere nicht gewinnt. Maßloses Geltungsbedürfnis, nervenaufreibendes Statusgerangel und ‚politisches‘ Positionen-Geschacher haben eben nie das Allgemeinwohl zum Ziel.
Die Konkurrenz freut sich
Außer Kontrolle geratendes Machtkalkül lähmt, vermasselt Renditen, kostet Arbeitsplätze und treibt ganze Unternehmen in den Ruin. Während nämlich Streithähne mit sich selbst und ihrem Machterhalt beschäftigt sind (…“Mit dem rede ich bis zur Rente nicht mehr!“ – „Den lass ich am ausgestreckten Arm verhungern!“…), erfindet die Konkurrenz neue Produkte, verbessert ihren Service, kreiert neue Schulungs- und Vertriebskonzepte – und macht so das Rennen.
„Die von ganz oben, die sehen wir hier nie“, sagte mir ein Mitarbeiter, als ich mich auf einem internationalen Flughafen mal über schlechte Abläufe beklagte. Versteht sich die Führungselite als ‚wir da oben‘ gegen ‚die da unten‘, dann ist der Bruch vorprogrammiert. Interne Feindbilder werden aufgebaut und Grabenkriege eröffnet. Sand kommt ins Getriebe. Der Fokus geht nach innen. Und die Interessen des Kunden bleiben auf der Strecke.
Macht verändert die Persönlichkeit
Macht an sich ist weder gut noch böse. Es kommt vielmehr darauf an, wie man mit ihr umgeht. Es gibt nämlich eine helle und eine dunkle Seite der Macht. Zwischen konstruktivem Umgang mit Machtbefugnissen und Machtmissbrauch liegen manchmal nur ein paar Zentimeter. Der Grad ist schmal und die Verlockungen sind riesig. ‚Dem ist sein neuer Job zu Kopf gestiegen‘ heißt es dann. ‚Macht verdirbt den Charakter‘ meint der Volksmund. Wir seien Marionetten unseres Hormonhaushalts, sagen die Hirnforscher und nennen es Machtrausch.
Höllisch aufpassen muss also jeder, der Macht hat, denn Macht verändert die Persönlichkeit. Der zunehmend sorglose Umgang mit Machtbefugnissen führt zur Selbstüberschätzung, zu Gewissenlosigkeit, zu pathologischem Größenwahn und womöglich in die Kriminalität. Die selbstkritische Einsicht versiegt, und niemand ist mehr da, der dem Einhalt gebieten könnte.
Macht macht einsam und paranoid
Diese Gefahr wird durch Autoritätsangst noch vergrößert. Viele Menschen neigen ja auch heute noch dazu, dem Träger einer höheren Position mit Ehrfurcht zu begegnen. So werden dem abgehobenen Chef nur noch solche Wahrheiten präsentiert, die dieser hören will. Schließlich kommt es zum Wilhelm-Tell-Syndrom. Es wird nurmehr ‚der Hut‘, also die Position gegrüßt und nicht mehr die Person. Macht macht einsam – und geradezu paranoid. Stresshormone verursachen den berühmten Tunnelblick: Man verliert die Um- und Übersicht und kann nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden.
Also scheint es nötig, sein Territorium hermetisch abzuriegeln und gegen Abteilungsfeinde zu schützen. Da gilt es, sein Wissen wie einen Schatz zu hüten statt zu teilen. Da heißt es auch, sich unverwundbar zu zeigen und Schwachstellen zu maskieren, selbst wenn einem zum Kotzen ist. Die Folge: Typische Managerkrankheiten stellen sich ein. Das ist der Preis für die Privilegien in Führungspositionen. „Schwer ruht das Haupt, das eine Krone drückt“, schrieb schon Shakespeare dazu. Macht fordert einen hohen Tribut, Glück ist ohne diese Zuzahlung zu haben.
Die Krücken der Macht
Führungskräfte täten gut daran, Hierarchiegehabe auf ein Minimum zu reduzieren, den sozialen Abstand zwischen sich und ihren Mitarbeitern zu verringern, um somit ein Ungleichgewicht so weit wie möglich zu nivellieren. Dies schaffen allerdings nur gefestigte Persönlichkeiten mit natürlicher Autorität – und Charisma. Alle anderen kaschieren gerne ihre Verwundbarkeit mit formellen Statussymbolen, den Krücken der Macht.
Sie tragen Titel ohne Mittel, Orden wie ein General und Westen unterm Anzug – wie einen Panzer. Sie definieren sich über Quadratmeter Bürofläche, Länge der Fensterfront und Anzahl der Blumentöpfe. Sie verbarrikadieren sich hinter Vorzimmern und lassen sich von ‚ihrer‘ Sekretärin bewachen. Sie bauen Aktentürme wie Trutzburgen auf. Sie benutzen Laserpointer und andere ‚Waffen‘ beim Vortrag und verschanzen sich hinter dem schützenden Rednerpult.
Solche vermeintlichen Zeichen der Stärke sind in Wahrheit ja Zeichen der Schwäche. Dahinter steckt die pure Angst, wieder abzustürzen. Und die Mitarbeiter spüren, wie es da einer ‚nötig hat‘. Rein vordergründig wird mitgespielt, doch hinterrücks macht man sich lustig. Für so jemanden reißt sich niemand ein Bein aus. Mitarbeiternahe, souveräne und integere Führungspersönlichkeiten hingegen werden von ihren Leuten verehrt – selbst wenn sie kleine Schwächen haben. Für sie geht man durchs Feuer – oder bis ans Ende der Welt.
Management-Haudegen machen schneller Karriere
Leider werden auch heute noch in vielen Unternehmen Haudegen bevorzugt. Dort wird Durchsetzungskraft in ihrer negativen Ausprägung gefördert und gelebt. Erst kürzlich hat eine Online-Studie der australischen Bond University gezeigt: Je ‚fieser‘ der Vorgesetzte, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er Karriere macht – selbst wenn durch sein Verhalten die Produktivität der Abteilung den Bach runter geht. 64 Prozent der Befragten gaben an, dass ein solchermaßen schlechter Führungsstil nicht bestraft, sondern durch Beförderung von der Firmenleitung teilweise sogar noch ‚belohnt‘ wurde.
Eine groß angelegte Studie der Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Deep White ergab: Visionär auf die Zukunft ausgerichtete Enthusiasten sind Treiber des unternehmerischen Erfolgs, ein performance-orientierter Zahlenmensch hingegen ist ein Erfolgskiller. Letzterer wird als Machtmensch definiert, der Druck macht, extrem strukturierte Arbeitsabläufe vorgibt, penibel Ergebnisse mit gesetzten Zielen vergleicht und Fehler nicht zulässt. Der Erfolgstreiber hingegen schafft ein gesundes Arbeitsumfeld, fördert seine Mitarbeiter, anerkennt Leistungen, setzt auf Fairness, Kommunikation und Innovation.
Es ist schon erstaunlich, wie oft Erfolgsrezepte immer noch in so genannten Hardliner-Büchern oder bei Hardliner-Trainern gesucht werden. Alte Management-Literatur fordert geradezu, ab und an mal ein Machtwort zu sprechen, nur um zu markieren, wer das Sagen hat. Ohne Macht zu sein, macht starke Männer offensichtlich ganz krank. Nur: Das ‚Machtwort‘ des Chefs lässt wertvolle Initiativen und dringend benötigte Kreativität einfach versanden. Gute Mitarbeiter mit hohem Potenzial lernen auf diese Weise, dass ihre Meinung wenig zählt. Und sie wandern in Scharen ab.
Macht und Angst sind ein Paar
Wo Macht ist, ist auch Angst. Die Angst derer, die nach oben drängen, heißt: den Anschluss zu verpassen. Und die Angst derer, die schon oben angekommen sind, heißt: ihre Macht und die damit verbundenen Privilegien wieder zu verlieren. Je weiter oben, desto tiefer der Fall. Es ist also stressig, an der Macht zu sein – wenn man an der Macht bleiben will.
Zwischenmenschliche Kälte ist in einem solchen Kontext noch das kleinste Übel. Vor allem werden in großem Stil menschliche Ressourcen und Talente verschwendet, Denn es baut sich ein Szenario aus Drohungen, Intrigen, Neid und Missgunst auf – verbunden mit Kontrollwahn und Absprachen in Hinterzimmern.
Unglückliche und demotivierte Mitarbeiter
Mitarbeiter, die solch destruktive Machenschaften durchschauen oder selbst zum Spielball werden, sind emotional stark belastet und jeder Motivation beraubt. Wem es schlecht geht, der denkt und handelt langsamer und ist für vieles blockiert. Dies führt zwangsläufig zu Misstrauen und Leistungsabfall, zu Unfreundlichkeiten und häufigen Fehlern, zu angepasster Mittelmäßigkeit, zu lähmender Angst, zu Frust und Fluktuation. Am Ende gibt es ein paar scheinbare Sieger und viele Verlierer.
Angst, Neid und Misstrauen sind die größten Feinde einer Erfolgskultur. Sie sind vor allem dort verbreitet, wo ein starkes Konkurrenzdenken kultiviert wird. Das Jeder-gegen-Jeden-Prinzip produziert zwar möglicherweise imposante Einzelerfolge, entmutigt aber die Masse der Mitspieler. Unternehmerische Topleistungen sind heutzutage ja meist komplexe, informell vernetzte Teamleistungen, wobei jeder sein Bestes nur dann gerne gibt, wenn der gemeinsame Erfolg gefördert, gelobt und gefeiert wird.
Wo eine reibungslose Teamleistung den größten Erfolg verspricht, können Egomanen, die das Klima vergiften, einfach nicht geduldet werden. Wer nach beruflicher Erfüllung strebt, wird heutzutage lieber kündigen, als sich von einem Management-Haudegen schlecht behandeln zu lassen. Die zunehmend wertvollen Powerfrauen im Business fragen sich übrigens noch viel eher als Männer, ob es das wert ist, ihr Potenzial zwischen Rumgegockel und albernen Machtspielchen aufzureiben. Solche Welten sind für sie zu klein.
Das Denken gegen die Regel gehört zu den entscheidendsten Erfolgsfaktoren, um sich vom Einheitsbrei des Mittelmaßes abzuheben. Denn es ist reine Zeitverschwendung mittelmäßig zu sein. Mittelmäßigkeit ist vom Aussterben bedroht. Aber wie bitte soll Außergewöhnliches, ja geradezu Einzigartiges entstehen, wenn stromlinienförmige, nach einer scheinbaren Idealform geklonte Mitarbeiter ein Unternehmen bevölkern? So züchtet sich das Topmanagement Kadaver-Gehorsam, Wendehälse und eine maultote Meute von Mitläufern.
Das Web 2.0 als Vorbild für den richtigen Umgang mit Macht
Gemeinsames Siegen ist wirkungsvoller als konfrontatives Besiegen. Respektvolles Miteinander funktioniert besser als machtbesessenes Gegeneinander. Manager müssen zu Menschenverstehern und Unternehmen zu Beziehungsarchitekten werden. Von einer kooperativen Atmosphäre profitieren alle Beteiligten, von einer aggressiven hingegen nur wenige. Wir brauchen Freunde und nicht Feinde in einer sich zunehmend vernetzenden Welt. So werden die Werte, für die das Web 2.0 heute steht, nämlich
- Dialog und Interaktion
- Teilen und Partizipation
- Transparenz und Wahrhaftigkeit
- Kreativität und Schnelligkeit
- einen Beitrag leisten und helfen wollen
unseren Lebens-, Kauf- und Arbeitsstil zunehmend prägen – und damit auch Einzug in das betriebliche Miteinander halten.
Innovative Höchstleistungen können nur in Möglichkeitsräumen entstehen. Und Kreativität braucht Spielwiesen. Unter Druck werden höchstens Allerweltslösungen erzeugt. Im spielerischen Dialog gehen wir komplexe Problemstellungen auf unkonventionelle und innovative Weise an. Eine freudige Stimmung des Zulassens beflügelt kreative Denkprozesse. Unsere Intuition erwacht und Querdenk-Potenzial wird aktiviert, um mutig neue Wege zu gehen – und damit Zukunftssicherung zu betreiben.
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